13.09.2023

Die eigene KVG – jetzt erst recht

Ob Neugründung oder Optimierung – der Zeitpunkt ist günstig

Dr. Ulrich Keunecke, Partner, Legal Financial Services, KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Dr. Ulrich Keunecke

Die Margen werden kleiner und allenthalben suchen Marktteilnehmer nach Wegen, entlang der Wertschöpfungskette Potenziale zu heben. In diesem Rahmen fällt das Augenmerk nicht selten auf die Funktion der Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG), mit der die Möglichkeit besteht, Fonds aufzulegen, Kapital einzusammeln und nach einer spezifischen Anlagestrategie zum Nutzen der Anleger zu investieren.

Für die Errichtung einer eigenen Kapitalverwaltungsgesellschaft lassen sich mannigfaltige Überlegungen ins Feld führen:

Zugang zu Kapital

Als regulierte Kapitalverwaltungsgesellschaft besteht die Möglichkeit, von institutionellen Investoren oder aber auch vom breiten Publikum (Retail-)Kapital einzusammeln. Aufgrund der verbreiterten Kapitalbasis können größere Projekte anvisiert und gegebenenfalls auch das eigene Immobilienportfolio entsprechend erweitert werden. Dies gilt nicht zuletzt auch im Infrastrukturbereich, in dem es vergleichsweise wenige Projekte, dann aber mit erheblichen Volumina, gibt.

Anlagevielfalt

Durch die Gründung einer Kapitalverwaltungsgesellschaft wird dementsprechend die Möglichkeit eröffnet, in verschiedene Arten von Immobilien zu investieren, wie zum Beispiel Wohn-, Gewerbe- oder Industrieimmobilien. Dies ermöglicht eine breitere Diversifizierung der eigenen Portfolios und reduziert das Risiko, das mit der Konzentration auf eine einzelne Immobilienart verbunden ist.

Professionelle Expertise / Drittgeschäft

In der Kapitalverwaltungsgesellschaft kann ein Expertenteam von erfahrenen Fachleuten zusammengestellt oder aber auch zusammengefasst werden, darunter Immobilienexperten, Fondsmanager, Rechts- und Finanzexperten. Diese professionelle Expertise kann – sofern sie bereits vorhanden ist – nunmehr auch Dritten auf regulierte Weise zur Verfügung gestellt werden.

Diesen Vorteilen stehen Anforderungen gegenüber, die miteinander abgewogen werden müssen. In einen Business-Plan lassen sich schnell und überschaubar Kosten und Nutzen gegenüberstellen und der Break-even ermitteln.

Regulatorische Anforderungen

Eine Kapitalverwaltungsgesellschaft unterliegt umfangreichen regulatorischen Anforderungen, unter anderem zu Eigenmitteln, Organisationsaufbau, Compliance-Vorgaben, Berichtspflichten und Aufsichtsverfahren. Dies erfordert erhebliche Ressourcen und Investitionen in Compliance-Abteilungen und Fachexperten, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen und regulatorischen Anforderungen erfüllt werden.

Komplexität

Die Gründung und Verwaltung einer Kapitalverwaltungsgesellschaft im Immobiliensektor erfordert ein tiefes Verständnis der Immobilienbranche, der Finanzmärkte und der regulatorischen Rahmenbedingungen. Die Komplexität dieses Geschäftsmodells erfordert ein hohes Maß an Fachwissen und Erfahrung, um erfolgreich zu sein.

Geschäftsmodell

Der Immobilienmarkt ist oft stark umkämpft, insbesondere in attraktiven Märkten. Eine Kapitalverwaltungsgesellschaft benötigt also ein Geschäftsmodell, das sich gegenüber etablierten Wettbewerbern behaupten und einen Mehrwert bieten kann. Hier kann es unterschiedliche Auslöser geben. In einer Gruppensituation kann eine Captive-Kapitalverwaltungsgesellschaft möglicherweise nicht nur gruppenintern Ressourcen bündeln und effektiver einsetzen. Gegebenenfalls können diese Ressourcen auch dem Drittmarkt zur Verfügung gestellt werden.

Sind die zu erwartenden künftigen Investitionsvolumina hinreichend groß, kann es zielführend sein, nicht länger auf die Services dritter Serviceanbieter zurückzugreifen, sondern auch diesen regulierten Teil der Wertschöpfungskette in die eigene Organisation einzubinden und davon zu profitieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein entsprechend starker Vertrieb vorhanden und ferner auch eine adäquate Investitionspipeline gefüllt ist.

Marktvolatilität

Der Immobilienmarkt kann von Zeit zu Zeit starken Schwankungen unterliegen. Konjunkturelle Veränderungen, Zinssätze, politische Entscheidungen und andere Faktoren können sich auf den Wert von Immobilien auswirken. Die Kapitalverwaltungsgesellschaft muss in der Lage sein, mit Marktvolatilität umzugehen und ihre Investments entsprechend anzupassen.

Steuerungsmöglichkeiten

Neben den vorgenannten Kosten-Nutzen-Überlegungen können aber auch weitere – weiche – Faktoren eine ausschlaggebende Rolle spielen. So können bei einer eigenen KVG – im Gegensatz zum Erwerb von Fondsprodukten fremder KVGen – die Ressourcen und Entscheidungswege im Rahmen des regulatorisch Zulässigen näher gesteuert werden. Ein entsprechender Fremdeinfluss wird damit vermieden.

Aktuelles Marktumfeld

Aufgrund der gestiegenen Zinsen ist derzeit die Kaufpreisverständigung zwischen Verkäufer und Käufer reduziert und das Transaktionsvolumen deutlich gesunken. Das ist zunächst einmal kein attraktives Umfeld für eine neue Kapitalverwaltungsgesellschaft. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Errichtung einer KVG vom Zeitpunkt der Entscheidung bis zum Inkrafttreten der BaFin-Erlaubnis in der Regel etwa neun bis zwölf Monate dauern kann. Würde heute also die Entscheidung über die Errichtung einer KVG getroffen werden, würde sie voraussichtlich erst zu einem Zeitpunkt handlungsfähig sein, wenn sich die Immobilienmärkte nach heutigen Erwartungen wieder beruhigt haben und die Transaktionen wieder angelaufen sind.

Die KVG wäre dann, nach modernsten Erkenntnissen und mit aktuellen IT-Systemen ausgestattet, höchst effizient und effektiv und hätte so die Möglichkeit, die Ergebnisse dieser Strukturen an ihre Investoren weiterzugeben.

Upgrade bestehender Kapitalverwaltungsgesellschaften

Besteht schon eine KVG, kann die aktuelle "Ruhephase" am Markt genutzt werden, bestehende Prozesse auf Optimierungsmöglichkeiten zu durchleuchten und gegebenenfalls zu überarbeiten. Dies kann etwa den Investment-Management-Bereich betreffen, aber auch die Einbindungen des Risikomanagements. Läuft der Markt wieder an, ist die KVG bestmöglich aufgestellt für ihren Geschäftsbereich. Zu überlegen wäre auch, die Geschäftsbereiche einer bestehenden KVG einem Review zu unterziehen. Neben Immobilien gewinnt auch Infrastruktur einschließlich der erneuerbaren Energien einen weiter zunehmenden Stellenwert. Lizenzen können erweitert, Standorte und Niederlassungen entwickelt und das Vertriebssystem geschärft werden.

Copyright Autorenfoto: KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Erstveröffentlichung: KPMG Real Estate Bulletin – Juli 2023

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