Fallstricke für ausländische Investoren
Für viele ausländische Investoren ist der Immobilienmarkt in Deutschland derzeit sehr attraktiv. Diese sehen aber oft nur die Attraktivität der im Vergleich immer noch hohen Renditen und lassen dabei die rechtlichen und kulturellen Eigenheiten außer Acht.
Deutschland steht bei ausländischen Investoren als Standort derzeit ganz oben auf der Wunschliste. Rund 45 Prozent des 2016er Umsatzes auf dem Gewerbeimmobilienmarkt wurde nach Angaben des Beratungshauses Jones Lang Lasalle durch ausländische Investoren bewegt. Das entspricht zwar einem Minus von 13 Prozent gegenüber 2015, was aber ausschließlich der hohen Nachfrage und dem damit einhergehenden dem Mangel an Verkaufsangeboten zuzuschreiben ist. Der deutsche Immobilienmarkt lockt mit steigenden Preisen, steigenden Mieten und seiner großen Stabilität. Noch vor wenigen Jahren bot sich ein ganz anderes Bild: 2009 kamen 86 Prozent der Investoren aus Deutschland und nur 14 Prozent aus dem Ausland. Ein wesentlicher Grund ist die Zunahme der Risikoaversion internationaler Investoren. Und das führt sie nach Deutschland, wo die Risiken im Vergleich zu anderen Ländern überschaubar sind.
Fallstricke für ausländische Investoren
Allerdings machen ausländische Investoren oft den Fehler, dass sie nur die positive Marktentwicklung betrachten. Was viele zunächst nicht sehen und oft unterschätzen, ist eine Reihe von signifikanten Unterschieden zwischen Deutschland und ihrem Herkunftsland, die sich schnell als Fallstricke erweisen können. Dies betrifft die Verhandlungskultur, die Art und Weise der Geschäftsabwicklung sowie insbesondere die Eigenheiten des deutschen Rechtssystems.
Die Markteintrittsbarrieren beginnen schon beim Verkäufer. Viele deutsche Verkäufer veräußern aufgrund geringerer Transaktionskosten lieber an einen deutschen Interessenten, wenn sie die Wahl haben. Insbesondere beim ersten Deal in Deutschland kann sich dies als Hindernis erweisen. Will der internationale Investor im Rennen bleiben, kann er das nur, indem er einen höheren Preis als die Mitbewerber bietet.
Unterschiedliche Auffassungen von Verbindlichkeit
Eine aus Sicht ausländischer Investoren große Barriere ist das unterschiedliche Niveau von Verbindlichkeit, mit der Verhandlungen geführt werden. Investoren – vor allem aus dem angelsächsischen Raum – dürfen nicht den Fehler machen, sich zu früh auf ein Schriftstück zu verlassen. In Deutschland haben ein LOI (letter of intent), ein Term Sheet oder Heads of Terms selten die gleiche Bedeutung wie in England oder den USA. Dort sind solche Dokumente als rechtlich verbindliche Grundlage fest im Bewusstsein verankert. Denn sie gehen von den Vorstellungen des Common Law aus und messen zum Beispiel einem Letter of Intent ähnliche Wirkung wie dem Ankaufsdokument selbst bei. Eine solche Bindungswirkung kann in Deutschland aber nur durch einen Vertrag in notariell beurkundeter Form entstehen, was meist schon aus Kostengründen ausscheidet. Dieses andere Verständnis von Verbindlichkeit kann während der Verhandlungsphase zu einer abweichenden Wahrnehmung beider Parteien führen. In der Folge kann es zu Überraschungen bei ausländischen Käufern kommen, wenn sich die deutsche Seite anders entscheidet.
Diese andere Auffassung von Verbindlichkeit kann vor allem in heißen Marktphasen problematisch werden. Nämlich dann, wenn sich ein ausländischer Investor auf einen bestimmten Verhandlungsstand verlässt, aber dann Zeit benötigt, um beispielsweise alle Dokumente zu organisieren, das Eigenkapital nach Deutschland zu transferieren oder eine Fremdfinanzierung auszuhandeln. Erstreckt sich dieser Vorgang über mehrere Wochen, ist es wahrscheinlich, dass der deutsche Verkäufer an einen anderen Interessenten verkauft, der schneller einen notariellen Kaufvertrag unterzeichnet. Der ausländische Investor, der sich fest auf seinen LOI verlassen hat, wird damit nicht gerechnet haben. Will ein ausländischer Investor eine verbindliche Verhandlungsgrundlage haben, bleibt ihm in Deutschland nur der Weg einer harten Exklusivitätsvereinbarung.
Eigenheiten des deutschen Rechtssystems
Als weitere Stolperfalle für ausländische Investoren erweisen sich die Eigenheiten des deutschen Rechtssystems. So ist zum Beispiel das im internationalen Vergleich stark regulierte deutsche Wohnungsmietrecht aus fremder Perspektive unverständlich. Regelungen wie die zehnjährige Kündigungssperrfrist nach Wohnungsaufteilungsmaßnahmen sind für viele Investoren exotisch. Auch das deutsche Grundbuchsystem und die Erfordernis einer notariellen Beurkundung sind unter angelsächsischen Investoren nicht bekannt. Dies kann an entscheidenden Stellen Zeit kosten, wenn Dokumente organisiert, übersetzt und – im In- oder Ausland – legalisiert werden müssen. Hinzu kommen weitere Besonderheiten des deutschen Rechts: Ist der Käufer beispielsweise ein Trust – was aus steuerlichen Gründen oft der Fall ist – kann dieser nicht ins Grundbuch eingetragen werden. Ein Trust kann auch nicht Gesellschafter einer GmbH werden. Denn ein Trust ist nach deutschem Recht kein eigenständiges Rechtssubjekt. Zur Strukturierung sind teilweise aufwändige rechtliche Konstruktionen notwendig. So kann zum Beispiel der Trustee, also die natürliche Person hinter dem Trust, ins Grundbuch eingetragen werden. Unterm Strich kosten diese Eigenheiten des deutschen Rechtssystems den Investor Zeit – je schlechter er darauf vorbereitet ist, desto mehr.
Ein weiteres Beispiel ist das 2016 eingeführte Aufteilungsverbot in Berlin. Die Aufteilung einer mehrteiligen Wohnimmobilie ist attraktiv. Denn die Summe der Teile bringt in der Regel mehr Erlös als das Ganze. Genau diese Möglichkeit wird in Berlin erheblich eingeschränkt. Die so genannte Umwandlungsverordnung, die korrekterweise Umwandlungsverbotsverordnung heißen müsste, gilt jedoch nicht im ganzen Stadtgebiet der deutschen Hauptstadt, sondern nur in den bislang – und zukünftig – ausgewiesenen Milieuschutzgebieten. Milieuschutzgebiete können von jedem Berliner Bezirk ausgewiesen werden, wenn dieser die Bevölkerungszusammensetzung in einem bestimmten Areal als besonders schutzwürdig eingestuft hat. Ausländische Investoren kennen die 2016 eingeführte Regulierung häufig nicht und werden oft völlig unvorbereitet damit konfrontiert. Ähnliche Aufteilungsverbote gibt es auch in weiteren Großstädten Deutschlands.
Schwierige Projektsteuerung
Besondere Fallstricke für internationale Investoren lauern bei Bau- und Projektentwicklungsmaßnahmen. Ein Fehler, der nicht selten gemacht wird, ist die falsche Interpretation eines Festpreises in einem Generalunternehmervertrag. Dieser Preis erweist sich am Ende keineswegs immer als fest. Oft werden die Kostenanpassungsklauseln unterschätzt. Steigen aber während der Bauzeit beispielsweise die Preise für Stahl, Beton oder etwa Aufzüge, fließen die Mehrkosten aufgrund der Kostenanpassungsklauseln in den Festpreis mit ein. Insgesamt ist das deutsche Bau- und Architektenrecht sehr komplex: Allein die Regelung der Vergütung von Architekten und die separate Beauftragung der Leistungsstufen ist eine Wissenschaft für sich.
Finanzierungshürden für Ausländer
Für ausländische Immobilienkäufer in Deutschland haben sich zudem die Rahmenbedingungen verschlechtert. Der Hauptgrund: Es wird immer schwieriger, Immobilienkredite von deutschen Banken zu bekommen. Dies ist für die betroffenen Investoren fatal, denn ohne Fremdfinanzierung ergibt die gesamte Investition oft keinen Sinn. Betroffen sind davon vor allem Privatpersonen, die sich eine einzelne Wohnung oder ein einzelnes Haus kaufen möchten. Große institutionelle Investoren können das Problem meist lösen, indem sie eine andere Finanzierungsstruktur wählen.
Zu dieser Situation haben verschiedene Entwicklungen beigetragen. Unter anderem zeigen sich für ausländische Immobilienkäufer zunehmend bürokratische Hürden bei der Kreditvergabe – eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren verstärkt hat. Die Banken müssen bei den Prüf- und Kreditvergabeprozessen in zunehmendem Maße sehr formalistisch agieren. Für ausländische Investoren gab es angesichts dieser Hürden schon manche böse Überraschung. Oft erweist sich schon die Identitätsprüfung als erste ernstzunehmende Barriere. Die Banken sind dazu aufgrund des Geldwäschegesetzes verpflichtet. Wenn der Investor nicht selbst in Deutschland vertreten ist, kann diese Prüfung kaum mehr formal korrekt durchgeführt werden. In der Vergangenheit genügte dazu eine Identifikation bei der deutschen Botschaft im jeweiligen Heimatland. Dies ist jedoch so nicht mehr möglich. Notarielle Bestätigungen scheitern an den unterschiedlichen Notarsystemen. Eine Identifikation über Partnerbanken im Heimatland sehen die deutschen Banken oft nicht vor. Ausländische Investoren, die von einer deutschen Bank einen Kredit für eine Immobilie benötigen, sollten sich daher von vorneherein darauf einstellen, dass das Prozedere anders als in ihrem Heimatland gestaltet ist.
Inländische Verkäufer können höhere Preise erzielen
Insgesamt kosten die genannten Fallstricke ausländischen Investoren viel Zeit, die oft entscheidend ist, um einen Zuschlag für einen Deal zu bekommen – insbesondere in der aktuellen Marktlage. Dies führt im Ergebnis dazu, dass internationale Investoren oft ein höheres Gebot abgeben müssen, um im Rennen zu bleiben. Deutsche Verkäufer können davon profitieren und höhere Preise erzielen. Aber man muss dann dazu bereit sein, auf die ausländischen Käufer mit Rücksicht auf ihre jeweilige Transaktionskultur verständnisvoll einzugehen.
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Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, März 2017