13.04.2022

Der Kampf um die letzte Meile

Gorillas, Flinkster & Co. – Welchen Einfluss haben sie auf die Branche?

Matthias Dötsch, Geschäftsführender Gesellschafte, COMPLEMUS Real Estate
Matthias Dötsch

Zur Durchführung ihres Geschäftsmodells brauchen Schnelllieferdienste Flächen in Toplagen – und kämpfen mit Logistik und E-Commerce um die „letzte Meile“.

Schnelllieferdienste wie Gorillas oder Flink haben gerade Hochkonjunktur. Spielten sie noch vor rund zwei Jahren nahezu keine Rolle in der Nahversorgung, hat besonders die Corona-Pandemie für ein rasantes Wachstum des sogenannten Quick Commerce gesorgt. Nicht vor Ort im Supermarkt einkaufen, sondern seine Lebensmittel schnell per Kurierlieferung in den Händen halten – eine Dienstleistung wie geschaffen für Corona-Zeiten. Wir sprechen hier von Lieferversprechen à la „in 10 Minuten bei dir zuhause“. Das heißt: Die Wege müssen kurz sein, die Lagerflächen der Lieferdienste möglichst in Toplagen, nahe am Verbraucher. Ähnliche Objekte sind besonders bei Logistikdienstleistern und dem E-Commerce beliebt, um die Sendungen auf der letzten Meile zum Kunden zu bringen.

Corona hat sich auf die Logistik gleichermaßen wie auf die Schnelllieferdienste ausgewirkt. Das bestätigen zum Beispiel Untersuchungen von bulwiengesa zum Sendungsaufkommen bei Logistik- und Paketdienstleistern. Zwar eilte das Paketaufkommen auch schon vor der Pandemie von einem Rekord zum nächsten. Aber das Jahr 2020 verzeichnete dann mit zehn Prozent Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr einen Sprung beim Sendungsvolumen, der in dieser Höhe nicht mehr nur den immer fortschreitenden digitalen Möglichkeiten zum Shoppen zugeschrieben werden kann. Während der Lockdowns hat sich etablierendes Konsumverhalten verfestigt und zusätzlich neuere Nachfrage wie das digitale Bestellen von Lebensmitteln befeuert – das betrifft natürlich auch die genannten Quick Commerce-Anbieter.

Aber zurück zur Logistik. Im urbanen Kontext wird sie stark vom E-Commerce bestimmt. Die Waren kommen in einem sogenannten Fulfillment Center an. Solche Anlagen liegen meist vor den Stadttoren, da sie die größten Bauten in diesem Zusammenhang sind und somit auch große Grundstücke benötigen. Von dort werden die Waren an etwas kleinere Urban Center weiterverteilt. Dann landen sie in den kleinsten Gliedern der urbanen Logistikkette: Den Micro Centern. Sie liegen nahe am Verbraucher und bieten nur Platz für Lieferungen, die für den Versand zum Endkunden bereit sind. Passende Standorte sind besonders heiß begehrt. Denn nur sie ermöglichen Dienstleistern oder Supermärkten Same-Day-Delivery und dem übrigen Einzelhandel Click and Collect-Angebote. Quick-Commerce ist ohne diese Micro-Center gar nicht möglich. Freie Flächen dafür zu bekommen – nahezu unmöglich und dann nur zu enorm hohen Preisen.

Für die Quick-Commerce-Anbieter sind diese Flächen Teil des Geschäftsmodells, für Logistik und E-Commerce sind sie nicht zu ersetzende Teile einer Kette mit vielen Gliedern. Die Schnelllieferanten müssen zudem häufig die Kühlung ihrer verderblichen Produkte bedenken. Daher eignen sich für sie besonders Ladenflächen in innerstädtischen Lagen, da diese Verkaufsräume ausreichend Platz für diese Kühlung bieten. Bei ehemaligen Lebensmittelläden ist oft keine große Konversion notwendig, da die Lager im Prinzip Versandsupermärkte sind.

So unterschiedlich diese Unternehmen im Vergleich zu Ihrer arrivierten Konkurrenz aus der Lieferbranche sind: Flächenkonversionen können auf jeden Fall helfen, den Wettbewerb um innerstädtische Lagen etwas zu entspannen. Seien es in die Jahre gekommene Supermärkte, Fachmarktzentren oder andere flächenintensive, nicht mehr zeitgemäß genutzte Areale mit etwas Lagerraum – mit dem richtigen Konzept und den passenden Voraussetzungen können beide Branchen definitiv von Konversionen profitieren.

Der Trend zum Online-Shopping wird auch bei Lebensmitteln Einzug halten – der Quick-Commerce ist gekommen, um zu bleiben. Flächenkonversionen können hier definitiv Abhilfe schaffen. Zukünftige Projekte für innerstädtische Lagen sollten sich allein wegen des Platzmangels auch mit mehrstöckigen Micro Centern beschäftigen, wo dies praktikabel ist. Auch das Prinzip von geteilten Lagerräumen könnte angesichts der immer knapper werdenden Flächen eine Lösung sein. In jedem Fall ist Kreativität und Offenheit für neue Wege gefragt, um dem Platzproblem beizukommen – und ein unkompliziertes Genehmigungsverfahren von behördlicher Seite.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von COMPLEMUS Real Estate
Erstveröffentlichung: Immobilienmanager, März 2022

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