Mehraufwand, der sich auszahlt
Auf einen Blick anzeigen, wie viel Energie eine Immobilie verbraucht – dafür ist der Energieausweis gedacht. Verlässliche Informationen bietet allerdings nur der Bedarfsausweis. Warum Eigentümer und Bestandshalter ihn jetzt beantragen sollten und wie sie davon profitieren.
Vor über 20 Jahren wurden die ersten Energieausweise testweise für Immobilien ausgestellt. Seit Inkrafttreten der Energieeinsparverordnung (EnEv) 2007 sind sie für alle Gebäude verpflichtend, die zu Vermietung, Verpachtung oder Verkauf angeboten werden. Das Ziel von Anfang an: Auf einen Blick sollten sie potenzielle Mieter oder Käufer über die Höhe des Energieverbrauchs informieren, einen Vergleich von Gebäuden ermöglichen und die Eigentümer zur energetischen Sanierung motivieren.
Bis heute verursacht der Betrieb von Gebäuden in Deutschland schließlich alljährlich rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und rund 30 Prozent der CO₂-Emissionen. Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen und bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erzielen, sind energieeffizientere Gebäude somit unabdingbar. Bestandshaltern raten wir deshalb, sich besser heute als morgen um die energetische Sanierung kümmern. Der erste Schritt dabei ist die Ermittlung des Status Quo: Wie steht das Gebäude aktuell energetisch da? Um das herauszufinden, bietet sich die Erstellung eines Energieausweises an – und zwar eines Bedarfsausweises, nicht eines Verbrauchsausweises.
Energieverbrauchsausweis: Günstig, aber unbrauchbar
Auf den ersten Blick bietet der Verbrauchsausweis zwar klare Vorteile: So ist er erheblich günstiger und kann – teils mit wenigen Klicks und ohne Begehung des Gebäudes – online beantragt werden. Allerdings hat er nur eine geringe bis keine Aussagekraft. Denn die Energiekennwerte werden auf der Grundlage des tatsächlich gemessenen Energieverbrauchs errechnet und hängen sehr stark vom individuellen Nutzerverhalten ab. Sie sagen somit zwar viel über die Verbräuche der Nutzer aus, jedoch kaum etwas über die energetische Qualität des Gebäudes. Das gilt insbesondere bei einem Wechsel der Nutzungsart. So sind Labore beispielsweise oft um ein Vielfaches energieintensiver als Büros und der bei einem Verbrauchsausweis ermittelte Energiebedarf würde beim Wechsel keine brauchbare Prognose für den künftigen Energiebedarf liefern.
Hinzu kommt: Bei Erstbezug oder wenn die Verbrauchswerte der letzten Mieter nur lückenhaft erfasst wurden, ist die Erstellung eines Verbrauchsausweises schlicht nicht möglich. Denn für dessen Ausstellung müssen die Daten aus einem zusammenhängenden Zeitraum von mindestens 36 Monaten vorliegen, wobei das Ende höchstens 18 Monate zurückliegen darf. Auch wenn innerhalb dieses Zeitraums signifikante energetische Maßnahmen durchgeführt wurden, ist die Nutzung eines Verbrauchsausweises nicht zulässig.
Energiebedarfsausweis: Detailliert und Nutzerunabhängig
Anders sieht es bei dem Bedarfsausweis aus: Er gibt den theoretischen Energiebedarf eines Gebäudes an, unabhängig vom Nutzungsverhalten, und kann deshalb auch problemlos bei Neubauten oder zuvor mangelhafter Dokumentation sowie nach Sanierungsarbeiten ermittelt werden. Zu seiner Berechnung wird zunächst ein „digitaler Zwilling“ erstellt, also eine digitale 1:1-Abbildung aller relevanten energetischen und technischen Gebäudedaten, aus denen anschließend ein dreidimensionales Gebäudemodell erstellt werden kann. Zentral sind hierbei insbesondere die Informationen zur thermischen Hülle – zu Wänden, Fenstern, Dach und unterem Gebäudeabschluss – und den jeweiligen Transmissionswärmeverlusten sowie zur Anlagentechnik. Im zweiten Schritt wird das Gebäudemodell in verschiedene Nutzungszonen wie Büro, Flur, Labor oder Empfangsbereich unterteilt. Das ist entscheidend, da jede Zone eine individuelle Nutzungsanforderung hinsichtlich Heizung, Kühlung, Belüftung und Beleuchtung hat. Ist eine Änderung der Nutzung einzelner Flächen geplant, kann diese einfach im Modell simuliert werden.
Die Komplexität der Zonierung hängt maßgeblich von der Größe der Immobilie, den Nutzungsarten sowie der Anlagentechnik und deren Umfang ab. Um die Zonen zu ermitteln und sicherzustellen, dass alle Angaben korrekt sind, werden nicht nur Bauunterlagen genutzt, sondern auch Begehungen vor Ort durchgeführt. Die Erstellung eines Bedarfsausweises ist somit zwar sehr viel aufwendiger und kostenintensiver als diejenige eines Verbrauchsausweises. Sie ist aber auch deutlich genauer. Experten und Vertreter zahlreicher Branchenverbände empfehlen deshalb bereits seit Jahren, auf den Bedarfsausweis zu setzen. Zu Recht: Es profitieren nämlich nicht nur die Nutzer von den detaillierten Angaben des Bedarfsausweises, sondern auch die Eigentümer.
Schwachstellen und Potenziale auf einen Blick
Anhand der ermittelten Daten erhalten sie einen genauen Überblick darüber, wo die Immobilie aktuell in puncto Energieeffizienz steht. Zudem zeigt der Bedarfsausweis die konkreten energetischen Schwachstellen in der Gebäudesubstanz und der Anlagentechnik auf und gibt somit einen genauen Überblick über sinnvolle und effektive Optimierungsmöglichkeiten. Eigentümer sollten deshalb nicht mit der Beantragung eines neuen Ausweises warten, bis der bestehende – vielleicht schon sieben oder acht Jahre alte und längst nicht mehr aktuelle – Ausweis abgelaufen ist.
Ein zusätzliches Plus: Anhand des im Rahmen des Ausweises erstellten Gebäudemodells können Eigentümer verschiedene Simulierungen vornehmen lassen und so die jeweiligen Maßnahmen hinsichtlich Kosten, Aufwand und Nutzen vergleichen. Gerade bei älteren Gebäuden ist dieses Wissen entscheidend. Schließlich ist der Wertverlust bei Immobilien mit hohem Energiebedarf immens und auch mit Blick auf die Fremdfinanzierungskosten spielt der energetische Zustand eine wichtige Rolle.
Und noch einen weiteren Vorteil bietet der Bedarfsausweis: Wenn ohnehin feststeht, dass ein Gebäude energetisch saniert werden muss, kann das für den Bedarfsausweis erstellte Gebäudemodell bei Nichtwohngebäuden als Basis für eine Energieberatung genutzt werden und bei Wohngebäuden als Basis für den individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP). Der Fahrplan zeigt aufeinander abgestimmte Maßnahmen für eine komplette oder schrittweise energetische Sanierung auf und hilft dabei, Fehlinvestitionen zu vermeiden. Und: Die von einem fachlich qualifizierten Energieberater erstellte Energieberatung in Form eines Sanierungskonzepts beziehungsweise eines individuellen Sanierungsfahrplans ist notwendig, um einen höheren Zuschuss für die vom Bund geförderten Maßnahmen zu erhalten.
Die wichtigsten Förderungen im Überblick
Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), die seit dem 1. Januar 2024 in Kraft ist, fasst frühere Förderprogramme zusammen und soll noch stärkere finanzielle Anreize zur energetischen Optimierung schaffen als bisher. Bereits die Energieberatung kann mit bis zu 80 Prozent der Kosten durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert werden. Zudem unterstützt der Bund die Sanierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden zu Effizienzhäusern beziehungsweise -gebäuden sowie Einzelmaßnahmen zur energetischen Sanierung.
Die Einzelmaßnahmen können die Gebäudehülle, Anlagentechnik, Heizungsoptimierung und Wärmeerzeugung betreffen. Dabei werden sämtliche Investitionen bezuschusst, die notwendig für die Durchführung der Maßnahme sind (zum Beispiel Material, Arbeitsstunden, Demontage, Umfeldmaßnahmen wie Baugerüst etc.). Allerdings: Werden die Maßnahmen in Eigenleistungen erbracht, ist lediglich das Material förderfähig. Die Höhe der Bezuschussung beträgt für Gebäudehülle und Anlagentechnik bis zu 15 Prozent der Gesamtkosten, bei Maßnahmen, die die Wärmeerzeugung betreffen, bis zu 30 Prozent. Die Heizungsoptimierung wird bei der Effizienzverbesserung mit 15 Prozent gefördert und bei der Emissionsminderung sogar mit 50 Prozent. Zudem erhalten Eigentümer bei der Umsetzung bestimmter Maßnahmen des iSFP zusätzlich einen Zuschuss in Höhe von fünf Prozent.
Der Antrag auf Förderung für die oben genannten Maßnahmen sowie die Erstellung einer Energieberatung wird beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellt. Wichtig dabei: Um die Förderungen in Anspruch nehmen zu können, müssen Energieberater eingebunden werden, die bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) gelistet sind.
Fazit
Angesichts der drängenden Klimakrise ist sofortiges Handeln unerlässlich. Der Gebäudesektor ist hier in besonderem Maße gefragt. Um den eigenen Beitrag zu leisten, ist die Erstellung eines Bedarfsausweis ein erster wichtiger Schritt. Denn er bietet nicht nur einen genauen Einblick in den energetischen Zustand eines Gebäudes, sondern legt auch die Basis für zielgerichtete Sanierungsmaßnahmen, die stärker als je zuvor vom Bund bezuschusst werden. Und das zahlt sich für alle aus.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von REICON Consulting & Elbing & Volgmann
Erstveröffentlichung: haufe.de, Juni 2024