26.11.2019

Der Blick über den Tellerrand

Es lohnt sich! Digitalisierung in der Immobilienbranche

Heike Gündling, Managing Director Real Estate, Eucon Digital GmbH
Dr. Alexander Erdland, Mitglied des Beirats, Eucon Group, Münster, und ehemaliger Vorsitzender des Vorstands, Wüstenrot & Württembergische AG, Stuttgart,
Heike Gündling

Digitale Transformation – dieses Buzzword schwebt auch über der Immobilienbranche. Wie sie genau aussieht, wann sie kommt und vor allem welche Auswirkungen sie auf den Markt und die Unternehmen hat, kann niemand exakt beantworten. Dieses Problem hat aber nicht nur die Immobilienbranche. Die Versicherungsbranche hat zumindest in Bezug auf die Anforderungen an digitale Systeme zur Datenverarbeitung ganz ähnliche Anforderungen. Hier können Synergien entstehen.

Am Geld kann es nicht liegen, dass die Immobilien- und die Versicherungsbranche bei der Digitalisierung keine führende Position in Deutschland einnimmt. Gemessen an der Bruttowertschöpfung stünde ihnen eine Vorzeigerolle zu. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) findet sich hingegen beim Digitalisierungsgrad die vergleichsweise kleine IT- und Kommunikationsbranche auf der Poleposition wieder. Es hat also wohl eher mit der Affinität zum Thema zu tun. Sowohl die Versicherungs- als auch die Immobilienwirtschaft weisen in der Digitalisierung noch viele schlummernde Potenziale auf. Entweder wegen mangelnder digitaler Kompetenzen oder weil sich das Geschäftsmodell auch analog rechnet. Der Vorteil der beiden Branchen ist aber: Sie weisen ganz ähnliche Anforderungen und Schnittmengen in der Kundenkommunikation auf. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die für die digitalen Prozesse benötigten Lösungen in vielen Anwendungen identisch sein können.

Die Prozesse gleichen sich
Als Beispiel sei hier der Bereich des Schadenmanagements genannt. Schäden werden online gemeldet und durch entsprechende digitale Dokumente wie Fotos belegt. Was bei Versicherungen inzwischen etabliert ist, entwickelt sich auch in der Immobilienbranche zu einem Standard. Immerhin 30 Prozent der 2017 im Digitalisierungsbarometer der Real Estate Digitalization Initiative (REDI) befragten Property Manager bieten inzwischen eine digitalisierte Schadenabwicklung an. Die Königsdisziplin besteht sicherlich darin, diesen Prozess mit Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) zu verflechten. Neben der Dokumentation des Schadens kann er geprüft, kategorisiert und im IT-System automatisch abgelegt werden. Schon jetzt gibt es Immobilienunternehmen, deren Plattformlösungen auf dieser Basis nach Eingang der Schadenmeldung den entsprechenden Handwerkerauftrag auslösen können. Der Prozess ist vollautomatisiert – ohne manuelle Eingaben. In der Versicherungsbranche werden bereits 20 Prozent der Schadenfälle vollautomatisiert abgewickelt.

Noch wenige Nutzer für erprobte digitale Lösungen
Weitere Parallelen lassen sich im Rechnungsmanagement erkennen. Der strukturelle Aufbau von Rechnungen ist prinzipiell vergleichbar. Ebenso der Billing-Prozess vom Rechnungseingang über die Freigabe bis zum Bezahlvorgang. Vor allem der Abgleich zwischen Leistungsbeschreibung und Rechnungsstellung erfolgt nach fixen Bestimmungen. Ideal für den Einsatz von KI-Technologie, die Dokumente nicht nur einlesen, kategorisieren und kontierungsfähig vorbereiten, sondern auch Handlungsempfehlungen „aussprechen“ kann. Derzeit verfügen nach Angaben des REDI-Digitalisierungsbarometers erst 30 Prozent der Immobilienunternehmen über ein derart digitalisiertes Rechnungswesen. Ein durchgängig digitaler Rechnungsworkflow ist ein gutes Beispiel einer Prozessoptimierung, die sich aus effektiver Datennutzung ergibt.

Ökosysteme als Branchenziel
Die aktuell verfügbaren Daten in den Unternehmen bieten gleichwohl noch weitere Optionen für deutliche Effizienzgewinne. Das technisch mögliche Ziel für beide Branchen ist eine Plattformlösung, die mehrere Prozesse im Sinne eines digitalen Ökosystems miteinander verzahnt. Seitens der Plattformanbieter gilt es hierbei, Schnittstellen sicherzustellen und mit ihrer jeweiligen Lösung einen Mehrwert für die Unternehmen zu generieren. Die digitalen Lösungen würden dann ähnlich andocken wie Apps an den Betriebssystemen eines Smartphones. Unternehmensseitig könnten dann beispielsweise neben den eingespeisten Rechnungsdaten auch Transaktions- oder Mietverwaltungs-Daten in die Plattform eingebracht werden. Das Orchestrieren eines Ökosystems wird daher zur Kernkompetenz. Digitale, kooperative Plattformen sind folglich für die europäische Versicherungs- und Immobilienbranche immer mehr auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit.

Kooperationen mit Digitalunternehmen als Erfolgsschlüssel
Die Beispiele zeigen, dass Branchengrenzen immer stärker verschwimmen. Die Verarbeitung von Daten rückt in den Vordergrund. Beide Wirtschaftszweige, die zusammen laut den beiden Branchenverbänden ZIA und GDV rund 17 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland ausmachen, zeigen gemeinsame Ansatzpunkte für digitale Prozesse auf. Das nötige Know-how für die branchenspezifischen Prozesse ist in den Unternehmen beider Branchen vorhanden. Anbieter digitaler Plattformen müssen sich nicht auf einen Wirtschaftszweig spezialisieren. Variabel konzipierte Plattformen lassen sich leicht in bestehende Infrastrukturen integrieren. Die finanziell gute Ausstattung der beiden Branchen bei größtenteils wenig eigener Digitalisierungsexpertise zeigt deutlich auf: Erst in strategischen Kooperationen mit Dienstleistern der Digitalwirtschaft nimmt der Digitalisierungsprozess Fahrt auf.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Eucon Group
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, Juli 2019

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