Älter werdende Gesellschaften verändern alle Lebensbereiche - auch die Wohnungswirtschaft
Älter werdende Gesellschaften verändern alle Lebensbereiche. Was für die jungen Menschen die Disco ist, ist für die Alten die Apotheke. Die Gesundheitswirtschaft ist deshalb bereits seit etwa 20 Jahren in einem tiefgreifenden Wandel begriffen. Jetzt wird auch die Wohnungswirtschaft erfasst. Das erfordert für die Zukunft eine enge Kooperation. Wer heute beginnt, hat morgen „die Nase vorn“.
In unseren Krankenhäusern tut sich was. Allenthalben wird über neue Konzepte nachgedacht. Jetzt geht es darum, sie in die Praxis umzusetzen. Letzteres ist besonders wichtig, weil es Pläne ausreichend gibt. Realisierte Projekte sind hingegen seltener. Dabei werden die Herausforderungen immer größer. Eine innovative Branche, wie sie die Gesundheitswirtschaft ist, entwickelt ständig neue und sehr häufig auch segensreiche medizinische Angebote. Zudem tut die Demografie ihr übriges. Kurz – die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steigt. Gleichzeitig werden die finanziellen Mittel aus dem Sozialtransfer knapp.
Diese immer weiter aufgehende Schere sorgt seit Jahren für einen Kostendruck im System, der von den Betroffenen immer schmerzlicher wahrgenommen wird. Zudem steigen die Anforderungen an die Qualität der Leistungen, weil die Patienten auch zu Konsumenten werden. Diese Entwicklung ist zwar noch ganz am Anfang, aber sie macht sich auf dem Gesundheitsmarkt schon bemerkbar. Hintergrund ist die steigende Patientensouveränität aufgrund der schwindenden Intransparenz. Das Internet und die damit verbundenen Informationsmöglichkeiten sind hierfür ein ganz wesentlicher Faktor. Schon heute nehmen immer mehr Patienten einen längeren Weg in Kauf, wenn sie dafür in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden. Spitäler müssen diesem Trend genauso entsprechen wie der ambulante Sektor. Konzentration und Vernetzung sind deshalb die zentralen Stichworte für die Geschäftsmodelle der Zukunft. Wie in vielen anderen Branchen vorher, heißt das Zauberwort in der Gesundheitswirtschaft jetzt auch: Prozesse!
Es kann angesichts der Herausforderungen nicht darum gehen, immer „schneller zu arbeiten“. Weder Mitarbeiter noch Patienten sind bereit, die Folgen eines solchen Vorgehens auf Dauer zu ertragen. Deshalb geht es jetzt darum, „anders zu arbeiten“. Wir dürfen unsere wertvollen Ärzte und Krankenpflegekräfte nicht mit dem üblichen „Improvisationstheater“ weiterhin „verplempern“! Wer mit dem Ohr am Telefon hängt und „mit der Nase“ im Dokumentationsbogen steckt oder mit der Blutprobe über das Krankenhausgelände hastet, kann nicht da sein, wo er eigentlich hingehört: beim Patienten.
So geht es nicht weiter. Dies gilt insbesondere, weil in Zukunft das Personal knapp wird. Die Gesundheitswirtschaft kämpft dabei mit anderen attraktiven Branchen um die Talente. Zudem wandeln sich die Ansprüche der Mitarbeiter.
Die Medizin wird weiblich. Die Männer übrigens auch. Ärztinnen und Ärzte wollen nicht mehr nur 24 Stunden, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr Leben retten. Sie wollen auch leben. Nicht zuletzt deshalb müssen Spitäler ihren Betrieb „umkrempeln“. Die Prozesse müssen strukturiert werden, um einen digitalen Workflow zu ermöglichen. Plakativ gesagt: der Behandlungsprozess muss vom Handbetrieb auf Automatik umgestellt werden.
Der demografische Wandel stellt die verschiedensten Branchen vor neue Herausforderungen. Bei näherer Betrachtung lassen sich aus den unausweichlichen Veränderungen viele Synergien entwickeln, wenn an den richtigen Stellen kooperiert wird. Dabei ist es für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft genauso wichtig wie für die Wohnungswirtschaft, sich konsequent an den Interessen der jeweiligen Kunden zu orientieren. Ihre Ansprüche müssen im Zentrum der Erneuerungen stehen. Sie müssen „den Takt“ für die Neugestaltung der Prozessabläufe vorgeben. Für die Wohnungswirtschaft heißt das insbesondere zweierlei: Natürlich sind zunächst bauliche Veränderungen der Wohnung und des Wohnungsumfeldes mit zunehmendem Alter der Bewohner wichtig. Salopp gesagt, es werden nicht mehr so viele Rutschen für Kinder hinter dem Wohnhaus benötigt, dafür aber welche für Senioren am Treppengeländer und das möglichst hinauf. Aber genauso wichtig sind Serviceleistungen, die es den Senioren ermöglichen, mit Hilfestellung in der eigenen Wohnung zu bleiben. Genau das möchten im Übrigen auch die meisten Menschen. Viele der Leistungen, die da benötigt werden, gibt es in der Gesundheits- und Sozialwirt schaft schon. Deshalb ist die Kooperation zwischen ihr und der Wohnungswirtschaft so erstrebenswert.
Die Veränderungen in der Gesundheitswirtschaft hin zu mehr strukturierten Behandlungsprozessen ermöglicht eine enge „Verzahnung“ mit den Anforderungen der Wohnungswirtschaft. Sie kann sich genau wie die Sozialwirtschaft jetzt schon in diese Entwicklung einklinken. Geplante durchgängige Leistungsangebote sind das, was Menschen erwarten. Sie wollen sich die für ihr weiteres Leben erforderlichen Produkte und Dienstleistungen nicht selber „zusammenbasteln“. Teilweise sind sie dazu auch gar nicht in der Lage. Sie möchten verschränkte Angebote, die ihren Erwartungen umfassend gerecht werden. Deshalb ist es für die beteiligten Akteure unaufschiebbar, gemeinsam Versorgungslösungen zu entwickeln und sie mit allen Beteiligten auf der Basis strukturierter Prozesse zu realisieren.
Kompaktlösungen auf der Basis strukturierter Prozesse erfordern eine enge Zusammenarbeit im lokalen Umfeld. Hier kommt der Wohnungswirtschaft eine besondere Bedeutung zu, weil ihre Mieter das Ziel dieser Bemühungen sind. Sie muss künftig eine zentrale Rolle als Vermittlerin einnehmen.
Wenn die Prozesse in Zukunft stärker auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet werden, müssen auch die Strukturen entsprechend vermehrt umgestaltet werden. Damit werden Veränderungen in anderen Branchen nachvollzogen.
So hat etwa der Einzelhandel in den letzten 30 Jahren in einem sich verschärfenden Wettbewerb auf das veränderte Konsumentenverhalten reagiert. Viele Kaufhäuser sind in diesem Zuge in Einkaufszentren umgewandelt worden. Die Kunden müssen nur noch einen Ort ansteuern, um viele Produkte in großer Auswahl von verschiedenen Anbietern erwerben zu können.
Dieser Gedanke kann auch auf einen Wirtschaftssektor übertragen werden, der stark von Dienstleistungen geprägt ist. Deshalb sind traditionelle Gesundheitsanbieter, wie etwa Kliniken, bereits in einem tiefgreifenden Wandel begriffen. Kurz gesagt: Krankenhäuser werden zu Gesundheits- und Sozialcentern. Gesundheits- und Sozialcenter wird es in ganz unterschiedlicher Gestalt geben. Natürlich unterscheiden sie sich in ihrer Dimensionierung je nach Standort. In Metropolen werden insbesondere die Gesundheitsangebote auf höchstem Level vertreten sein. Auch in dieser Hinsicht können sich die neuen Strukturen in unseren Branchen an den Vorbildern im Einzelhandel orientieren.
Die Kooperation zwischen der Wohnungswirtschaft und der Gesundheitsund Sozialwirtschaft bietet viele wirtschaftliche Chancen für die beteiligten Akteure. Aber sie ist insbesondere für die Gesellschaft wünschenswert. Angesichts der Herausforderungen, vor denen die Kranken- und Pflegekassen stehen, ist es äußerst sinnvoll, den Wünschen der Menschen entsprechend, das möglichst lange Wohnen in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Unterstütztes Wohnen in der eigenen Wohnung kann nicht in jedem Fall stationäre Pflege ersetzen. Aber die Versorgung in Pflegeheimen darf nicht das vorherrschende Angebot bleiben. Das wäre auch gesellschaftlich bei steigendem Bedarf weder finanziell noch personell darstellbar. Wichtig ist, in Zukunft einen möglichst großen Anteil der wachsenden Nachfrage durch eine enge Zusammenarbeit der ambulanten Angebote mit der Wohnungswirtschaft zu befriedigen.
Die Pflegeheimbetreiber können im Rahmen eines solchen Konzeptes durchaus mitwirken, in dem sie auch im Umfeld ihrer Einrichtungen tätig werden. Ein solches Gesamtkonzept zwischen Wohnungswirtschaft und Gesundheitsund Sozialwirtschaft wird den Erwartungen der Menschen gerecht und hält das Gesamtsystem finanzierbar. Es hat also Vorteile für den Einzelnen und die Gesellschaft.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/2015