21.02.2022

Das neue Bauministerium

Nur ein Pyrrhussieg für die Branche

Dr. Paul Kowitz, Partner, KPC KOWITZ Policy Consultants
Prof. Dr. Martin Dombrowski, Partner, KPC KOWITZ Policy Consultants
Dr. Paul Kowitz

Es gibt viel zu tun. Jedes Jahr mehr als 400.000 neue Wohnungen bauen; einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045 schaffen; ein soziales und ausgewogenes Mietrecht etablieren, das auch weiterhin Investitionschancen eröffnet; die Digitalisierung vorantreiben, die bestenfalls eine Verkürzung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erreicht. Das ist die unvollständige Liste an Herausforderungen, die auf die Immobilienwirtschaft – vom Projektentwickler bis zum Bestandshalter – zukommen und die sich mehr oder weniger die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Die Herausforderungen sind nicht neu. Im Gegenteil, sie sind in den letzten Jahren gewachsen.

Da scheint es doch geradezu geboten zu sein, den wachsenden Anforderungen auch dergestalt gerecht zu werden, dass sich ein Bundesministerium zentralisiert und mit voller Kraft dieser Aufgaben widmet. Pünktlich alle vier Jahre zur Regierungsbildung wird denn auch die Forderung nach einem eigenständigen Bauministerium in den Raum gestellt. Dieses Jahr wurde die Branche erhört und es ging ein tiefes Seufzen durch die baupolitische Landschaft.
Das neue Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) werde den herausragenden Aufgaben gerecht. Es werde dafür sorgen, dass die Themen innerhalb der Bundesregierung den Stellenwert und die Bedeutung bekommen, die es brauche, um vorwärts zu kommen. Es werde jetzt endlich einmal in einer Hand politisch und thematisch gebündelt, was für die Immobilienwirtschaft zentral sei. Das sind die Erwartungen mit Amtsantritt. Doch ist das so? Schon aus struktureller und machtpolitischer Sicht dürften Zweifel angebracht sein.

Der Koalitionsvertrag bildet gewissermaßen die Vorhabenliste der neuen Regierung. Für jedes Vorhaben ergibt sich eine mehr oder weniger klar zugeschriebene Federführung eines Bundesministeriums, wobei weitere Fachressorts, die eine gewisse inhaltliche Nähe zum Vorhaben aufweisen, mitberatend hinzugezogen werden. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass nicht jedes immobilienrelevante Thema automatisch ein BMWSB-Thema ist. Sofortprogramme im Klimaschutz, Mieterstrom, EFH-Neubauförderung obliegen dem Bundesklimaministerium von Robert Habeck. Verlängerung der Mietpreisbremse, Kappung der Modernisierungsumlage und Stärkung der qualifizierten Mietspiegel werden im Bundesjustizministerium von Marco Buschmann verantwortet. Neufassung der BImA-Richtlinie, Flexibilisierung der Grunderwerbsteuer und eigenkapitalersetzende Darlehen werden als Gesetze im Bundesfinanzministerium von Christian Lindner geschrieben.

Man kann die Liste lange fortsetzen. Am Ende verbleiben drei zentrale Gesetzgebungsvorhaben beim Bundesbauministerium: Die Wohngeld-Novelle (mitsamt Heizkostenzuschuss), Änderungen im Baugesetzbuch (Baulandmobilisierungsgesetz) und die Raumplanung. Drei Gesetze in vier Jahren. In allen anderen Fragen wird das BMWSB nur mitberatend sein. Gleiches gilt auch für den mit 34 Mitgliedern ungewöhnlich groß gesetzten Bauausschuss im Deutschen Bundestag.
Das Ministerium wird auf Beteiligung, Mitwirkung und Zugeständnisse anderer Ressorts hoffen müssen, um Einfluss geltend zu machen. Es wird verhandeln müssen, aber nicht durchregieren können. Es wird selbst kaum Initiativen entwickeln, sondern nur auf Vorhaben anderer Ministerien reagieren.

Umso wichtiger wäre es, dass das nun eigenständige Bauministerium auch eine Macht zur Mitwirkung entwickelt. Doch leider sind auch dem Grenzen gesetzt. Denn innerhalb des Bundeskabinetts ist die (Etat-)Größe die Währung von Macht. Mit gerade einmal zwei Abteilungen (Wohnen/Stadtentwicklung und Bauwesen) ist das Ministerium denkbar klein. Mit einigen hundert Mitarbeitern ist das Bauministerium personell nicht vergleichbar mit einem Entwicklungsministerium (1.230 Mitarbeitende), einem wieder verschlankten Bundesinnenministerium (1.300 Mitarbeitende) oder gar einem aufgestockten Klima- und Wirtschaftsministerium (über 2.000 Mitarbeitende). Selbst das Bundespresseamt hat mit aktuell 410 Mitarbeitenden fast mehr Schlagkraft als das neue Bauministerium. Auch gemessen am Etat dürfte das Bauministerium eher am Katzentisch sitzen.

Beharken sich künftig also Justiz- und Klimaministerium etwa bei der CO2-Kostenaufteilung in der Heizkostenverordnung oder bei der Entwicklung eines Modells zur Teilwarmmiete wird die Bauministerin Mühe haben, sich gegenüber den großen Ministerien entsprechend Gehör zu verschaffen. In Ermangelung eigener Initiativen wirkt die Notwendigkeit der maximalen Einflussnahme in anderen Ressorts umso wichtiger, die jedoch umso schwieriger ist, je weniger faktische Macht sich mit dem Bauministerium verbindet. Zurückgreifen kann die Bauministerium zuweilen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzler. Aber hat Scholz wirklich das Ansinnen, Wohnen zur Chefsache zu machen? Und falls ja, wird dann nicht im Kanzleramt entschieden? Ferner gilt im Bundeskabinett das Einstimmigkeitsprinzip, das dem Bauministerium de facto auch ein Veto zugesteht. Doch wie oft kann man das innerhalb einer Koalition wirklich nutzen?

Was tut bzw. was kann das Bauministerium eigentlich tun, wenn ein anderes Ressort das Bauen (z.B. durch energetische Vorgaben) verteuert? Was lässt uns glauben, dass ein Bauministerium besser für 400.000 neue Wohnungen jährlich sorgt als ein breit aufgestelltes Ressort, das solche Kostensteigerungen verhindern oder abfedern kann? Denn ein thematisch breiter aufgestelltes Ministerium hat, gerade weil es über mehr Vorhaben und Querschnittsthemen zu wachen hat, eine viel stärkere Verhandlungsmacht gegenüber einem Ressort, das sich gerade anschickt, das Bauen zu verteuern.

Stattdessen wird sich das Bau- und Wohnen-Ressort in der Praxis wohl eher zu einem Programmministerium wandeln, welches sich auf die Moderation mit den Ländern verlegt (Musterbauordnung, Standardisierung) und welches Förderprogramme entwickelt (Bund-Länder-Programm studentisches Wohnen, Fortsetzung der Städtebauförderung, Förderung Mietkaufmodelle), sowie Preise auslobt, Plattformen/Bündnisse gründet und bestenfalls für die Branche versucht, innerhalb der Exekutive ein Sprachrohr zu sein.

Immobilienpolitik aus einem Guss dürfte im neuen, eigenständigen Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen allein aus strukturellen Gründen nicht zu erwarten sein. Der Branche wurde ein Wunsch erfüllt – aber die Erfüllung ist es nicht. Besser wäre es wohl gewesen, ein kohärentes Infrastrukturministerium zu schaffen. Denn die Hoch- und Tiefbauthemen verbindet etwa im Bereich der Planungs- und Genehmigungsverfahren, der Schaffung einer digitalen Bauakte und der Bauförderprogramme sehr ähnliche politische Druckpunkte. Ein solches Infrastrukturministerium hat es seinerzeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unter Peter Ramsauer schon einmal gegeben. Die Durchdringungskraft war stärker, die Potentiale ebenso. So bleibt nur schwer begründbare Hoffnung, dass die Eigenständigkeit des neuen Bauministeriums vielleicht doch kein Pyrrhussieg war.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KOWITZ POLICY CONSULTANTS GmbH & Co. KG
Erstveröffentlichung: LinkedIn, Januar 2022

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