21.12.2015

Das Inkrafttreten des KAGB

Finalisierung des Grauens oder Verheißung?

Mario Leißner, Managing Partner, King & Spalding LLP
Mario Leißner

Et voilà! Es ist angerichtet: Im Ergebnis geradezu leise und, was ein wenig überrascht, gleichsam umgeben von einer Aura großer Selbstverständlichkeit tritt das Kapitalanlagegesetzbuch in Kraft. Durch die vom Gesetzgeber aus den Angeln gehobene Tür des deutschen Immobilienkapitalmarkts tapst ein Wesen, das fremd anmutet und bereits ob seiner schieren Größe Respekt einflößt. Noch nicht jedem Hausbewohner ist wirklich klar, wie er dieses Wesen begrüßen soll, sind doch dessen Sozial- und insbesondere Ernährungsverhalten noch nicht hinreichend sicher bestimmt. Daran ändert auch nichts die vorab durchgeführte wissenschaftliche Forschung - zu einer Zeit, in welcher das Wesen noch von außen durch das Fenster schaute, während es mit hoher Frequenz sein Aussehen änderte. Immerhin ließ sich dank gewisser Ähnlichkeit bereits zur dieser Zeit feststellen, dass es zumindest in einer Linie von einem Bekannten abstammt: dem deutschen Investmentrecht. Die andere Abstammungslinie freilich deutete auf nichts Gutes hin, hatte sie doch ihren Ursprung in Brüssel und war schon deshalb suspekt.

Doch blicken wir zurück. Nachdem das Europäische Parlament am 11.11.2010 die Directive on Alternative Investment Fund Managers (AIFM-Richtlinie) verabschiedet hatte, wurde diese am 01.07.2011 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat am 20.07.2011 in Kraft. Während es sich bei der Richtlinie um den ersten Schritt (Level 1) im sogenannten Lamfalussy-Verfahren nach dem Vertrag von Lissabon handelte, sollten diesem als sogenannte Level-2-Maßnahmen diverse Durchführungsvorschriften der Europäischen Union auf der Basis von Entwürfen der European Securities and Markets Authority (ESMA) ebenso wie die Entwicklung von Leitlinien und Empfehlungen für eine effiziente Aufsicht und eine einheitliche Anwendung von Unionsrecht sowie die verstärkte Kontrolle durch die ESMA und, noch weiter, Bestimmungen zur weiteren Rolle der ESMA im Hinblick auf Aufsicht und Kontrolle zur wirksameren Durchsetzung des Rechts der Europäischen Union folgen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hatten nach Inkrafttreten der AIFM-Richtlinie zwei Jahre Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen. Vorbildlich wie stets legte das Bundesministerium der Finanzen bereits nach exakt einem Jahr, nämlich am 20.07.2012, den Verbänden einen ersten, insbesondere von der Immobilienfondsbranche mit Spannung erwarteten, Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der AIFM-Richtlinie zur Stellungnahme vor. Der Diskussionsentwurf nahm für sich in Anspruch, mit dem darin bereits als solches bezeichneten Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) ein in sich geschlossenes Regelwerk für Investmentfonds und deren Manager zu schaffen. Hiernach diente der Entwurf des Gesetzes nicht nur der Umsetzung der AIFM-Richtlinie, sondern integrierte ferner unter Aufhebung des Investmentgesetzes dessen bisherige Regelungen zur Umsetzung der OGAW-Richtlinie und nahm darüber hinaus die für die Anwendung der Europäischen Verordnung über Risikokapitalfonds und der Europäischen Verordnung über Europäische Fonds für Soziales Unternehmertum erforderlichen Regelungen auf. Der KAGB-Entwurf enthielt detaillierte Vorschriften zur Regulierung von Investmentfonds, wobei im Hinblick auf Regelungsbedarf und -gehalt danach differenziert wurde, ob es sich um offene oder geschlossene bzw. um Publikums- oder Spezialfonds handelt. Anknüpfend an die diversen Investitionsgegenstände, sollten unterschiedliche Regelungen für verschiedene Investmentfondsarten Anwendung finden. Etwa sollten offene Publikumsfonds lediglich als gemischte Sondervermögen, sonstige Investmentvermögen oder Dachhedgefonds aufgelegt werden, geschlossene Publikumsfonds hingegen etwa nur noch einen Numerus clausus von Assetklassen zum Investitionsgegenstand haben dürfen. Offene Spezialfonds nach dem Investmentgesetz sollten grundsätzlich erhalten bleiben, aber der Sicherstellung der Liquidität halber überwiegend in Finanzinstrumente investieren. Geschlossene Spezialfonds sollten überwiegend in Vermögensgegenstände die nicht Finanzinstrumente sind, anlegen. Neben diesen Regelungen, von denen manche noch erträglich erscheinen mochten, enthielt der Gesetzentwurf indes für die Immobilienfondsbranche ein sensationelles Bonbon: Offene Immobilienfonds, d.h. in Immobilien investierende Sondervermögen, sollten schlicht abgeschafft werden. Im Ergebnis hätten neue Immobilienfonds nur noch als geschlossene Fonds aufgelegt werden dürfen, und zwar ausschließlich in Form einer Kommandit- oder Aktiengesellschaft mit fixem Kapital unter Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Die Originalität dieses Vorstoßes wurde nur noch dadurch überboten, dass selbst offene Spezialfonds, ein von den institutionellen Anlegern über alles geschätztes und selbst in der Krise weitgehend problemfreies Produkt, nicht mehr in Immobilien hätten investieren dürfen. Der damalige Diskussionsentwurf missverstand nicht nur insofern systematisch Sinn und Zweck der europäischen Regulierung. Während deren Ziel und Anordnung die umfassende und weitestgehend einheitliche Regulierung auf Anbieterseite ist, wird durch sie nicht bezweckt, die in den einzelnen europäischen Jurisdiktionen jeweils spezifischen, einzigartigen und erfolgreichen Strukturen und Produkte abzuschaffen, soweit diese im Einklang mit den Grundsätzen europäischen Aufsichtsrechts stehen. Soweit der Gesetzentwurf deutsche Spezifika der Immobilien-, Fonds- und Finanzkrise zu erfassen versuchte, schoss er über das Ziel ebenso wie über jede Vernunft hinaus; Die faktische Abschaffung hiesiger Erfolgsstrukturen - bei gleichzeitiger Beibehaltung konkurrierender Strukturen in anderen Jurisdiktionen - hätte den Standort beschädigt und die Interessen der Investoren verletzt. Doch auch in anderen Bereichen sah der Entwurf strengere bzw. weitergehende Regelungen vor, die geeignet waren, die Wettbewerbsfähigkeit des Fondsstandorts zu gefährden. Hingegen waren die Änderungen für die Anbieter geschlossener Fonds wenig überraschend. Der Schock ob des Gesetzentwurfes saß tief, was dazu führte, dass die Immobilienfondsbranche nach anfänglicher ohnmächtiger Starre in - jedenfalls hinsichtlich wesentlicher Punkte - nicht alltäglicher Einmütigkeit reagierte. Der monatelange Kampf der Branche, ihrer institutionellen Anleger und derjenigen Rechtsberater, die tief in der Branche verwurzelt sind und gleichsam mit ihr leiden, zeigte letztlich in wesentlichen Punkten Erfolg. Am 12.12.2012 wurde der offizielle Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der AIFM-Richtlinie veröffentlicht. Dieser rettete die offenen Immobilienfonds und korrigierte daneben elementare Fehler des ersten Diskussionsentwurfs. Nach weiteren Wirrungen und Bemühungen im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere im Umfeld der Stellungnahme des Bundesrates sowie der Beratungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, hat schließlich am 16.05.2013 der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der AIFM-Richtlinie, dessen Kernelement das neue Kapitalanlagegesetzbuch ist, beschlossen. Das Gesetz tritt nunmehr zum 22.07.2013 in Kraft.

Das KAGB setzt zunächst mit weitgehender Konsequenz die AIFM-Richtlinie um. Nachdem es der Richtlinie, die in ihrem Ergebnis mit dem ursprünglichen Ziel kaum noch etwas gemein hatte, immerhin gelungen war, ihrem eigentlichen Zweck gemäß die vermeintlichen Mitverursacher der Finanzmarktkrise - also insbesondere Hedgefonds und Private-Equity-Fonds - überhaupt zu erfassen, bestand ihr Kollateralschaden unter anderem darin, aus deutscher Sicht praktisch auch alles andere, was der Markt zu bieten hat, auf- und anzugreifen. Gefangen wurden also nicht nur praktisch sämtliche geschlossenen Fonds, sondern en passant auch die schon bis dato drastisch regulierten Publikums- und Spezial-Sondervermögen. An diesem Rasenmäheransatz ändert freilich auch das KAGB nichts, muss es doch den europäischen Vorgaben genügen. In dem Bestreben maximaler Gründlichkeit, welches seinen Ursprung wohl auch in einzelnen Erscheinungen der Finanzmarktkrise hatte, ließ es sich der deutsche Gesetzgeber allerdings nicht nehmen, auch weit abseits der Vorgaben der Richtlinie tief materiell in die Fondswelt einzugreifen. Das Gesetz zwingt nicht nur jeden Initiator eines Fonds in ein umfangreiches Erlaubnisverfahren vor der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie in die anschließende Beaufsichtigung durch diese. Es unterwirft vielmehr sämtliche Fonds selbst einem Korsett und geht, insofern konsequent, so weit, sämtliche Produkte, Vehikel und Strukturen zu verbieten, soweit es sie nicht ausdrücklich zulässt. Mit der Implementierung des „materiellen Fondsbegriffs“ und scharfer Regulierung auf Produktebene tat der deutsche Gesetzgeber erkennbar mehr als erforderlich.

Potenziert also das KAGB das vermeintliche Grauen der europäischen Regulierung? Die richtige Antwort aus der Vogelperspektive ist ein klares Nein. Die langfristig erfolgreichsten Strukturen auf dem Kapitalmarkt waren schon in der Vergangenheit heftig reguliert. Sowohl die Anleger als wichtigster Faktor in der Wertschöpfungskette des Kapitalmarkts als auch die Märkte insgesamt hatten zu effizient regulierten Fonds und Anbietern großes Vertrauen. Dieses Grundvertrauen gestattet offenkundig eine andere Art des Vertriebs: Während im unregulierten Bereich nicht selten vertrauensbildende Maßnahmen den wichtigsten Teil der Vermarktung darstellten, fand der Wettbewerb im regulierten Bereich eher über die Assetklassen und die Performance der Anlagen statt. Entsprechendes galt für die Öffentlichkeitswahrnehmung: Das vermeintliche Gütesiegel der Regulierung und Beaufsichtigung ersparte den Anbietern jedenfalls prima vista die Zugehörigkeit zum Kreis der üblich Verdächtigen. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel. Auch in der Vergangenheit, also in einer Welt des Nebeneinanders von regulierten und nichtregulierten Anbietern und Produkten, waren das Scheitern auf dem Markt, das Scheitern mit dem Vertrieb oder der Verlust des Vertrauens und entsprechende Öffentlichkeit auf der einen Seite ebenso möglich wie herausragende Performance, tadelloser Ruf sowie Vertrieb als Selbstläufer auf der anderen Seite. Allein hatten die Rücknahmeaussetzungen und sich anschließenden Liquidationen einzelner offener Immobilien-Publikumsfonds mit einhergehender negativer Öffentlichkeit ihren Ursprung gewiss nicht im Umstand der Regulierung; vielmehr waren diese Probleme der Finanzmarktkrise, irrationaler (Neu-)Regulierung und desaströser Kommunikation durch den Gesetzgeber respektive federführende Bundesministerien zu verdanken und in fast keinem Fall die „Schuld“ der betroffenen Kapitalanlagegesellschaft. Hingegen ist bei den krassesten Fehlentwicklungen und Ausfällen im nichtregulierten Bereich ein Zusammenhang zur fehlenden Regulierung leicht erkennbar. In einer Gesamtbetrachtung stellt die kaum Ausnahmen zulassende Regulierung mithin für die Welt der Immobilienfonds ganz gewiss eine Chance dar. Der Markt, insbesondere die Anleger, darunter institutionelle Investoren ebenso wie das breite Publikum, können sich so auf einen Mindeststandard an Qualität, Risikomanagement und Controlling verlassen und sich des Umstands gewiss sein, dass sich „auf ihrer Seite“ nunmehr in sämtlichen Szenarien zwei weitere Beteiligte aufhalten: die Bundesanstalt und die Verwahrstelle. Wie die Vergangenheit zeigt, gewährleistet weder das eine noch das andere ultimativen Anlegerschutz; unterdessen wird sich künftig wenigstens das Vorurteil des Markts ändern.

Bei allen Vorteilen umfassender Regulierung darf freilich nicht ignoriert werden, dass das Inkrafttreten des KAGB zu erheblichen Auswirkungen im Einzelfall führen kann. Einerseits sollte zufrieden stimmen, dass etwa im geschlossenen Fondsbereich der Aufwand für die Herstellung scheinbarer Mindesteinheitlichkeit und -transparenz nunmehr weitestgehend entfallen kann. So mag etwa die Frage gestattet sein, weshalb weiter erhebliche Kosten für Prospektgutachten (IDW S4) aufgewandt und überhaupt Verkaufsprospekte in gleichem Umfang wie bisher produziert werden sollten. Das offenkundige Kollidieren dieser Fragestellung mit lobbyistischen Interessen darf zu keiner Tabuisierung führen. Auch sollte es im Interesse der Branche sein, jeglichen allein mit der Vergangenheit erklärbaren Unterschied, etwa ausufernde Verkaufsprospekte gegenüber schlanker Dokumentation, mit Blick auf den Wunsch des Gleichziehens künftig zu unterlassen. Angesichts des Umstands, dass auch für den geschlossenen Bereich sehr wohl aufsichtsrechtskonforme und zugleich haftungssichere Lösungen entwickelt werden können, wäre ein beamtenmentaler Hinweis auf langjährige anderweitige Übung gewiss kontraproduktiv. Dem Gewinn an Effizienz und Ansehen stehen allerdings erhebliche Kosten und ein beträchtlicher Aufwand gegenüber. Wenngleich sich sowohl Kosten als auch Aufwand mit richtiger, sich auf langjährige Erfahrung im regulierten Bereich stützender, Rechtsberatung vergleichsweise gering halten lassen, werden sie doch oft eine Größenordnung erreichen, die durch Kleinstanbieter nicht bewältigt werden kann. Auch bei den offenen Fonds werden schwierige Einzelschicksale unvermeidbar sein: Die bislang angeborene Abgrenzung zum grauen Kapitalmarkt und zu nichtregulierten Produkten ließ zu, Defizite im Assetmanagement und in der Performance zu kaschieren. Dies wird künftig nicht mehr so einfach sein, wird doch ein Wettbewerb zwangsläufig eher über den wirtschaftlichen Erfolg der Anlage, deren aufsichts- und steuerrechtliche Effizienz sowie langfristige Stabilität und Sicherheit stattfinden. Aus alldem folgt, dass eine - weitere - Marktbereinigung zu erwarten ist. Diese erscheint indes mit Blick auf Sicherheit und Stabilität, und zwar gleichermaßen beim Anleger wie Anbieter, hilfreich, wenn nicht gar unabdingbar.

Es bleibt, einen Blick auf den Status des deutschen Immobilienkapitalmarkts zum Zeitpunkt der Einführung des neuen Gesetzes zu werfen. Bemerkenswerterweise lässt sich noch immer feststellen, dass eine große Zahl von Fondsmanagern einem der beiden - gleichermaßen suboptimalen - Extremansätze folgt: Während einige Anbieter - oftmals schon vor längerer Zeit - den Spezialisten für große Projekte aufgesessen sind und seither so elementaren Fragen wie derjenigen nachgehen, ob am Hauptgeschäftssitz eine physische Wand die künftige KVG-Welt von der bisherigen geschlossenen Welt abtrennen soll, um sich sodann von Fachleuten Compliance-Aufkleber auf jeden Mülleimer kleben zu lassen, wartet ein anderer Teil des Markts noch immer auf Erlösung oder zumindest Erledigung durch schieren Zeitablauf. Es überrascht nicht, dass beide Ansätze zu unbefriedigenden Ergebnissen führen: Das Aufsetzen eines - oft Millionen Euro teuren - Compliance-Projekts hat nur dann Sinn, wenn die bisherige Struktur aus aufsichtsrechtlicher Sicht erfasst und mit der vom Gesetz erzwungenen Zielstruktur strategisch und taktisch, also intellektuell, abgeglichen ist. Diese Aufgabe ist in erster Linie eine Rechtsaufgabe; die resultierende technische und physische Umsetzung bedarf keiner übernatürlichen Kräfte und sollte ausdrücklich nicht übertrieben werden. Die Schaffung von Compliance-Handbüchern für jeden Fachbereich eines Unternehmens ist schlechterdings teurer Unfug; die Übereinstimmung mit dem Aufsichtsrecht findet in erster Linie in den Produkten und Strukturen der Fonds und der KVG statt. Ständige Praxis im Aufsichtsrecht führt zudem zu der Erkenntnis, dass die Involvierung des Regulators nur Ultima Ratio sein bzw. in solchen Fällen erfolgen sollte, in denen Lücken im Gesetz oder noch fehlende Rechtspraxis mit dem Ziel einer Gestaltung genutzt werden können, die für den Einzelfall von Vorteil ist und nicht zugleich der gesamten Branche schadet. Ein Blick auf den Markt zeigt hingegen leider auch, dass Berater - oft als Ergebnis eigener Unkenntnis - die Aufsicht mit Fragen konfrontieren, die zu negativen Antworten über den Einzelfall hinaus führen. Das Vorgehen will insofern wohlüberlegt und sorgfältig strukturiert sein. Für diejenigen, die damit noch nicht begonnen haben, ist es jetzt höchste Zeit.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von King & Spalding LLP, Frankfurt am Main
Erstveröffentlichung: Deutscher AnwaltSpiegel Spezial - Immobilienkapitalmarkt 2013