01.02.2016

Neue Auslegungsentscheidung

Gesetzgeber plant gravierende Einschränkungen

Dr. Andreas Böhme, Partner, King & Spalding LLP
Dr. Andreas Böhme

Am 12. Mai 2015 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine neue Auslegungsentscheidung zur Frage der Kreditvergabe durch Alternative Investmentfonds (AIF) mit dem Titel „Änderung der Verwaltungspraxis zur Vergabe von Darlehen usw. für Rechnung des Investmentvermögens“ veröffentlicht, in der die Vergabe von Darlehen durch AIF in bestimmten Grenzen und unter bestimmten Umständen für zulässig erklärt wird.

Gesetzesentwurf zur Umsetzung von OGAW-V enthält zahlreiche für AIF relevante Regelungen

Flankierend dazu wurde heute vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/91/EU zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG (OGAW-V-Umsetzungsgesetz) veröffentlicht, mit dem auch verschiedene Änderungen im Bereich der AIF vorgenommen werden sollen, insbesondere auch hinsichtlich der Darlehensvergabe durch AIF, und zwar nicht nur an Beteiligungsunternehmen der AIF, sondern auch an Dritte.

Diese Änderungen sowohl der Aufsichtspraxis als auch des Gesetzes und die Zulassung von AIF, die Darlehensforderungen nicht nur erwerben, sondern Darlehen auch originär vergeben dürfen (loan originating funds), sind sehr zu begrüßen. Im Windschatten dieser positiven Entwicklung soll jedoch gleichzeitig eine Regulierung der Vergabe von Gesellschafterdarlehen durch geschlossene AIF an von ihnen gehaltene Beteiligungsgesellschaften erfolgen, deren Ratio unverständlich ist und die eine nicht zu rechtfertigende Einschränkung der Tätigkeit der AIF zum Ergebnis haben würde.

Gesellschafterdarlehen bei Immobilien-Sondervermögen

Bereits bekannt ist die (einschließlich ihrer Vorgänger-Regelung im Investmentgesetz seit vielen Jahren von der Praxis kritisierte) Regelung des § 240 KAGB, welche die Rechtslage nach dem aufgehobenen § 69 InvG übernommen hat und nach welcher Gesellschafterdarlehen durch eine KVG für Rechnung eines Sondervermögens an Immobilien-Gesellschaften nur bis zu 50% des Wertes der von der Immobilien-Gesellschaft gehaltenen Grundstücke zulässig sind (auf Fonds-Ebene gilt eine 25%-Grenze für solche Darlehen). Immerhin aber sind dort Gesellschafterdarlehen prinzipiell zulässig.

Gesellschafterdarlehen bei geschlossenen AIF

Im Bereich der geschlossenen Publikums-AIF hat die BaFin dagegen schon zuvor eine Darlehensgewährung an Beteiligungsgesellschaften für nicht zulässig erachtet, hauptsächlich mit der Begründung, dass im Katalog der zulässigen Vermögensgegenstände im § 261 Abs. 1 KAGB Darlehen nicht stünden und darüber hinaus eine Parallelvorschrift zu § 240 KAGB für geschlossene AIF fehle.

Nach dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf soll die Vergabe von Gesellschafterdarlehen durch geschlossene Publikums-AIF vollständig untersagt und durch geschlossene Spezial-AIF stark eingeschränkt werden. Für letztere sollen Gesellschafterdarlehen (im Einzelfall) nur bis zur Höhe der Anschaffungskosten der Beteiligung an der Tochtergesellschaft und auf Fonds-Ebene höchstens bis zu 30 % des aggregierten eingebrachten Kapitals und noch nicht eingeforderten zugesagten Kapitals des geschlossenen Spezial-AIF zulässig sein, wobei von dieser Kapitalziffer sämtliche direkt oder indirekt von den Anlegern getragenen Gebühren, Kosten und Aufwendungen für Anlagen abzuziehen sind.

Erfasst werden davon insbesondere Strukturen im Bereich der Sachwertefonds (z.B. Immobilien, Schiffe, Flugzeuge, Energieanlagen), bei denen die einzelnen Vermögensgegenstände häufig über Zweckgesellschaften gehalten werden. Diese Zweckgesellschaften erwerben jeweils nur einen Vermögensgegenstand und werden zu diesem Zweck vom AIF mit einem Mix von Eigenkapital- und Fremdkapitalinstrumenten ausgestattet, meistens im Hinblick auf eine steueroptimierte Finanzierungsstruktur.

Fehlverständnis von Gesellschafterdarlehen durch BaFin und BMF

Der Auffassung der BaFin und des BMF liegt ein grundlegendes Fehlverständnis im Hinblick auf Gesellschafterdarlehen, welche ein AIF an seine Beteiligungen vergibt, zugrunde. Beide begreifen solche Darlehen offenbar als normale Anlagegegenstände, stellen sie normalen Darlehen an unverbundene Dritte im Prinzip gleich und schaffen nur sehr begrenzte Ausnahmen für solche internen Darlehen.

Tatsächlich sind Gesellschafterdarlehen, jedenfalls solche an 100% - oder zumindest Mehrheitsbeteiligungen - sowohl wirtschaftlich als auch investmentrechtlich von Drittdarlehen grundverschieden. Es handelt sich dabei insbesondere nicht um Anlagegenstände im Sinne der Produktregelungen. Der Hinweis auf das Fehlen von (Gesellschafter-)Darlehen im § 261 Abs. 1 KAGB geht insoweit fehl, zumal (Gesellschafter-)Darlehen auch im § 231 Abs. 1 KAGB nicht aufgeführt und dennoch unstreitig im Bereich der Immobilien-Sondervermögen zulässig sind.

Der Hinweis, sie seien ja in § 240 KAGB genannt, greift nicht durch, denn die Erwähnung in dieser die Darlehensgrenzen regelnden Bestimmung könnte die prinzipielle Zulassung im Katalog der zulässigen Vermögensgegenstände, so sie denn notwendig wäre, nicht ersetzen. § 240 KAGB setzt die Zulässigkeit von Darlehen an Beteiligungsgesellschaften voraus, kann sie aber nicht begründen. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass die Immobilien-Gesellschaften und Liquiditäts-Assets im Katalog des § 231 Abs. 1 KAGB ausdrücklich miterwähnt sind, obwohl auch sei im Folgenden noch speziell geregelt werden (§§ 234, 253 KAGB). Die BaFin-Auffassung setzt also voraus, dass der Gesetzgeber alle zulässigen Anlagegenstände in § 231 Abs. 1 KAGB penibel aufgezählt und auch das Geld auf dem Konto nicht vergessen hat, aber ausgerechnet die Gesellschafterdarlehen dort, anscheinend bewusst, weggelassen und nur mittelbar in einer Regelung über Darlehensgrenzen bedacht hat. Das erscheint kaum vertretbar.

Auch der Hinweis auf das Fehlen einer dem § 240 KAGB entsprechenden Regelung bei den geschlossenen AIF geht fehl, denn § 240 KAGB ist richtigerweise eine Rückausnahme von § 93 Abs. 4 KAGB, der Darlehen für Rechnung von Sondervermögen verbietet. Da § 93 Abs. 4 KAGB für geschlossene AIF nicht gilt, bedarf es auch einer Rückausnahme wie in § 240 KAGB für geschlossene AIF nicht.

Gesellschafterdarlehen sind keine Anlagegegenstände

Tatsächlich ist es so, dass Gesellschafterdarlehen weder Produkte noch Anlagegenstände sind, sondern Strukturierungselemente der internen Verfassung und Finanzierungsstruktur eines Investmentfonds. Durch die Vergabe eines Darlehens an eine 100%-ige Tochter-Zweckgesellschaft tätigt der AIF keine Vermögensanlage, denn die Zweckgesellschaft gehört ihm bereits. Die von der Zweckgesellschaft erworbenen Vermögensgegenstände müssen ja bezahlt werden. Soweit hierzu kein Fremdkapital aufgenommen wird, ist der Erwerb durch Eigenkapital zu finanzieren. Wenn dieses nicht durch Gesellschafterdarlehen zur Verfügung gestellt wird, dann muss der AIF mehr an (echtem) Eigenkapital (entweder gezeichnetem Kapital oder in die Kapitalrücklage zu buchendem Kapital) zur Verfügung stellen. Durch die Strukturierung als Gesellschafterdarlehen ändert sich für ihn insoweit nichts, er erwirbt kein „mehr an Anlagegegenständen“, sondern genau dieselben, nur dass die Finanzierung anders strukturiert ist.

Daran wird auch ein wesentlicher Unterschied zwischen einem Gesellschafterdarlehen an eine Zweckgesellschaft und einem Darlehen an einen Dritten deutlich: Wirtschaftlich steht der AIF bei einem Gesellschafterdarlehen auf beiden Seiten der Transaktion, er ist wirtschaftlich Darlehensgeber und Darlehensnehmer zugleich, denn die mit dem Gesellschafterdarlehen von der Zweckgesellschaft erworbenen Vermögensgegenstände sind zu 100% Vermögensgegenstände des AIF, die ihm trotz des Haltens über eine Zweckgesellschaft voll zugerechnet werden. Allein daran kann man erkennen, dass eine Behandlung von Gesellschafterdarlehen als Anlagegegenstände unzulässig sein muss, denn sonst würde es zu einer Doppelberücksichtigung von Vermögenswerten kommen.

Beispiel (zur Veranschaulichung überzeichnet, vereinfacht und keine Handlungsempfehlung): Eine Immobilien-Zweckgesellschaft eines geschlossenen AIF erwirbt eine Immobilie zum Kaufpreis von 100. Der Kauf wird finanziert durch ein Bankdarlehen an die Zweckgesellschaft über 50 und ein Gesellschafterdarlehen des AIF an die Zweckgesellschaft, ebenfalls über 50. Die Immobilie wird mit ihrem Verkehrswert (100) als Vermögenswert des AIF gerechnet. Ist nun das Gesellschafterdarlehen auch ein Anlagegegenstand, dann müsste dieser Anlagegegenstand mit seinem Wert (50) ebenfalls in der Vermögensaufstellung mitzählen. Damit wäre der Gesamtwert dieser Akquisition 150, obwohl der Wert des erworbenen Vermögensgegenstandes nur 100 ist. Daran kann man sehen, dass Gesellschafterdarlehen (schon aus diesem Grund allein) keine Anlagegenstände sind, sondern Finanzierungsinstrumente, mit denen die tatsächlichen Anlagegenstände erworben werden.

Gesellschafterdarlehen sind für eine risikominimierende und steueroptimierte Anlagestrategie unverzichtbar

Darüber hinaus sprechen gegen ein Verbot von Gesellschafterdarlehen (bzw. deren Einschränkung) noch zahlreiche weitere Gesichtspunkte. Die Finanzierung über Gesellschafterdarlehen ist wegen der Abzugsfähigkeit der dafür gezahlten Zinsen vom Einkommen der Zweckgesellschaft oft steuerlich günstiger. Häufig rechnen sich Investitionen überhaupt nur bei einer solchen steueroptimierten Gestaltung.

Außerdem werden AIF gezwungen, beim Verbot von Gesellschafterdarlehen die Zweckgesellschaften mit echtem Eigenkapital auszustatten, das wesentlich risikoträchtiger ist, als Gesellschafterdarlehen. In zahlreichen Jurisdiktionen (so z.B. in Frankreich und im praktisch sehr relevanten Luxemburg) sind Gesellschafterdarlehen nämlich nicht automatisch nachrangig in der Insolvenz einer Gesellschaft, sondern entweder gar nicht, oder, so wie das nach alter Rechtslage auch in Deutschland der Fall war, nur unter bestimmten Umständen. Der AIF hat dann im Insolvenzfall zumindest die Chance, auf seine Gesellschafterdarlehen noch eine Insolvenzquote zu erhalten, während er mit Eigenkapital komplett ausfallen würde.

Hinzu kommt, dass Gesellschafterdarlehen oft das im Vergleich zu Eigenkapital flexiblere Finanzierungsinstrument sind. Die Rückzahlung gezeichneten Kapitals der Zweckgesellschaft an den AIF bedarf oft kostspieliger und zeitraubender gesellschaftsrechtlicher Vorgänge und unterliegt häufig längeren Sperrfristen. Auch die Auszahlung aus der Kapitalrücklage ist oft nicht so einfach möglich und bedarf diverser Beschlüsse, Zwischenabschlüsse und Wirtschaftsprüfer-Feststellungen.

Durch das Verbot bzw. die Einschränkung von Gesellschafterdarlehen zwingen die BaFin und das BMF deutsche geschlossene AIF in besonders risikoträchtige, steuerungünstige und unpraktische Finanzierungsstrukturen. Und das alles unter dem Banner des Anlegerschutzes. Welchen Sinn das haben soll, bleibt unklar.

Konkrete Umsetzung der Regelung

Darüber hinaus ist die Regelung zur Einschränkung von Gesellschafterdarlehen auch technisch zweifelhaft umgesetzt und geht an der Realität von Sachwertefonds vorbei.

Ein Darlehen darf die Anschaffungskosten der an der Zweckgesellschaft gehaltenen Beteiligungen nicht überschreiten. Die Anschaffungskosten von Zweckgesellschaften sind in der Regel sehr gering und betragen nur einige Hundert oder Tausend Euro. Erst nach Erwerb der Zweckgesellschaft wird diese, unmittelbar vor Erwerb des Vermögensgegenstandes, mit den notwendigen Finanzmitteln ausgestattet.

Auf Ebene des AIF sollen Gesellschafterdarlehen nur bis 30 % des aggregierten eingebrachten Kapitals und des noch nicht eingeforderten zugesagten Kapitals des geschlossenen Spezial-AIF zulässig sein, berechnet auf der Grundlage der Beträge, die nach Abzug sämtlicher direkt oder indirekt von den Anlegern getragenen Gebühren, Kosten und Aufwendungen für Anlagen verbleiben. Dieser Abzugsposten findet sich in dem in Bezug genommenen Artikel 3 Buchstabe e) Ziffer ii) der EU-Verordnung 345/2013 nicht und es ist unklar, wie das handhabbar gemacht werden soll, nachdem diese Abzugsposten ständig fluktuieren.

Fazit

Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass BaFin und BMF beim Schaffen der neuen Regelungen nicht an Sachwertefonds und durch sie gehaltene Zweckgesellschaften gedacht haben. Diese Vermutung wird genährt durch die Begründung des Entwurfes, in der im Bereich der Ausnahme von Gesellschafterdarlehen nur von Private Equity – und Venture Capital-Fonds die Rede ist, und durch die verwendete Terminologie. Es ist von Darlehen an „Unternehmen“ die Rede, und nur ihr eigenes Vermögen verwaltende Zweckgesellschaften sind in aller Regel keine „Unternehmen“ nach landläufiger Definition.

Es bleibt zu hoffen, dass der Entwurf noch einmal gründlich überarbeitet werden wird. Gesellschafterdarlehen müssen letztlich wegen der sehr nützlichen Rolle im Bereich der internen Finanzierung eines AIF sowohl für Spezial- als auch für Publikums-AIF ohne nennenswerte Einschränkung möglich sein. Bei dieser Gelegenheit sollte auch die Regelung des § 240 KAGB für Immobilien-Sondervermögen entsprechend liberalisiert werden.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von King & Spalding LPP
Erstveröffentlichung: Mandanteninformation von King & Spalding Juli 2015