Banken und Investoren müssen ihre Finanzierungsstrategien anpassen.
Jeder weiß, dass die Zinswende kommt, aber niemand weiß wann. Immobilienfinanzierer und Investoren müssen ihre Finanzierungsstrategien dieser ungewissen Situation anpassen.
Die derzeit außergewöhnlich niedrigen Zinsen werden kein Dauerzustand sein. Im Vereinigten Königreich wird bereits über eine Anhebung der Leitzinsen diskutiert. In den USA dürfte es kurzfristig keine Abkehr von der Nullzinspolitik geben, mittelfristig – eventuell schon 2015 – wird dies von Experten jedoch sehr wohl erwartet.
Der Weg zu einem höheren Zinsniveau ist allerdings steinig. Ein Anstieg der Zinsen beeinflusst den Immobilienmarkt erheblich. Sowohl finanzierende Banken als auch Investoren müssen gewappnet sein, um mit der derzeitigen ungewissen Situation umzugehen: Einerseits kann das Niedrigzinsumfeld noch lange anhalten, andererseits kann eine Zinswende schneller kommen als erwartet. Eine wichtige Rolle spielt das Ausmaß des Zinsanstiegs. Dies verdeutlicht ein Blick auf den Spread zwischen risikolosem Zins, beispielsweise der Rendite einer zehnjährigen Staatsanleihe, und der Rendite von erstklassigen Immobilien. Während sich die Verzinsung einer zehnjährigen Bundesanleihe derzeit zwischen rund 0,8 und 0,85 Prozent bewegt, liegen die Renditen von Top-Büroimmobilien bei circa 4,8 Prozent. Der Risikoaufschlag für eine Investition in Immobilien beträgt also rund vier Prozentpunkte. Zum Vergleich: Von 1998 bis 2013 belief sich die Risikoprämie im langjährigen Mittel auf nur 1,6 Prozentpunkte. Aus Finanzierersicht wäre ein moderater Zinsanstieg aufgrund des aktuell überdurchschnittlich hohen Spreads durchaus verkraftbar. Zudem würde ein mäßiges Ansteigen der Zinsen von rund zwei Prozent die Nachfrage etwas dämpfen und damit auf die Immobilienmärkte mittelfristig beruhigend wirken. Wobei es grundsätzlich bei einem Zinsanstieg zunächst zu einer paradoxen Situation auf dem Immobilienmarkt kommt: Beginnen die Zinsen nach einer langen Niedrigzinsphase wieder zu steigen, ziehen Nachfrage und Preise kurzfristig erst noch einmal an. Der Grund: Investoren, die mit weiterhin fallenden Zinsen gerechnet und ihre Käufe aufgeschoben haben, lässt ein Zinsanstieg rasch handeln. Sie investieren, bevor die Zinsen weiter steigen.
Über einen längeren Betrachtungszeitraum jedoch spielt das Ausmaß des Zinsanstiegs eine große Rolle: Ein Ansteigen um mehr als zwei Prozentpunkte hätte deutliche Auswirkungen auf die Immobilieninvestments: Einige Investoren könnten sich eine Fremdfinanzierung nicht mehr leisten, andere würden aufgrund der abschmelzenden Risikoprämie lieber wieder in sichere Anleihen umschichten. Die Nachfrage ginge zurück und die Preise fielen. Auf mittlere Sicht ist ein solcher Zinsanstieg sehr wahrscheinlich. Sowohl die Finanzierer als auch die Kreditnehmer müssen sich daher auf dieses Szenario vorbereiten. Die Banken nutzen Cashflow-Modelle zur Risikoberechnung und simulieren verschiedene Negativ-Szenarien. Ein Beispiel: Für eine Immobilie muss derzeit aus ihren Einnahmen einen Kapitaldienst von rund 3,5 Prozent erbracht werden. Im Stress-Szenario muss dasselbe Objekt auch in der Lage sein, einen Kapitaldienst von sieben Prozent zu decken. Zudem wird in den Simulationsrechnungen ein Rückgang des Mietniveaus um zehn bis 15 Prozent unterstellt. Beide Variablen unterliegen Marktschwankungen. Wenn der Kredit trotz eines niedrigeren Mietniveaus und – im ungünstigsten Fall – zusätzlich höherer Zinszahlungen dennoch durch die Erträge der Immobilie bedient werden kann, ist eine Finanzierung möglich. Ansonsten wird die Bank mehr Eigenkapital fordern.
Was die Zinsbindung angeht, bevorzugen die Banken als auch viele Kreditnehmer derzeit eine eher langfristige Zinsfestschreibung. Für beide bietet sich dadurch eine hohe Planungssicherheit. Für den Investor gibt es zwei weitere Gründe: Zum einen ist das Zinsniveau derzeit historisch niedrig und damit die Zinslast über die Laufzeit gering. Zum anderen geht er bei variablen Zinsen ein überproportional höheres Risiko ein, da er im Fall eines raschen Zinsanstiegs die Mieten meist nicht so schnell erhöhen kann, wie sein Kapitaldienst ansteigt. Gleichwohl sehen wir bei den Mietverträgen in der jüngeren Vergangenheit einen deutlichen Trend hin zu kürzeren Laufzeiten. Bei Büroimmobilien etwa liegt die Mietdauer derzeit oft nur noch bei fünf Jahren. Für die Banken rücken bei der Kreditprüfung damit die Immobilien selbst gegenüber den Mietvertragslaufzeiten weiter in den Vordergrund. Die Lage und die Drittverwendungsfähigkeit der Objekte sind die wichtigeren Kriterien.
Kreditnehmer, die mit weiter sinkenden Zinsen rechnen, sehen eher von einer langfristigen Zinsbindung ab und kaufen beispielsweise Zins-Caps zur Risikobegrenzung. Mit diesem Derivat sichern sie sich einen bestimmten Zinssatz, der leicht über dem aktuellen Niveau liegt. Die Kosten dafür sind – in Abhängigkeit von der vereinbarten Zinshöhe – moderat. Eine ähnliche Möglichkeit ist die Festlegung einer Zinsobergrenze in einer Klausel (Covenant) des Kreditvertrags. Darin wird ein Wert oberhalb des aktuellen Zinsniveaus definiert. Ein Überschreiten löst automatisch die Fixierung einer Zinsbindung von fünf oder zehn Jahren aus. Auch das bietet dem Investor Sicherheit auf der Kostenseite.
Eine weitere Strategie, dem Zinsänderungsrisiko entgegenzuwirken, insbesondere für Investoren mit größeren Immobilienbeständen, ist ein zeitlich diversifizierter Auslauf der Zinsbindungen. So ist bei einem möglichen Zinsanstieg nicht das gesamte Fremdfinanzierungsvolumen zeitgleich betroffen, sondern immer nur Teilbeträge. Auch ein moderater Fremdkapitaleinsatz bietet Schutz: Je kleiner die Fremdkapitalquote, desto geringer die Mehrbelastung durch eventuell steigende Zinsen. Ein höherer Eigenkapitalanteil fungiert wie ein Puffer bei Zinserhöhungen. Die Banken sind auf Zinsänderungen gut vorbereitet: Sie agieren nach wie vor risikobewusst und berücksichtigen in ihren Modellen nicht nur sinkende Mietpreise sondern auch steigende Zinsen. Aber auch die meisten Kreditnehmer sind vorausschauend und nutzen lange Zinsbindungen und Instrumente zur Eingrenzung des Risikos eines nachhaltigen Zinsanstiegs.
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Erstveröffentlichung: Börsen Zeitung, Dezember 2014