02.06.2020

Corona und die Bauwirtschaft

Ein Blick über den Tellerrand

Sander van de Rijdt, Mitgründer und Geschäftsführer, PlanRadar GmbH
Ibrahim Imam, Mitgründer und Geschäftsführer, PlanRadar GmbH
Sander van de Rijdt

Das Coronavirus und die Auswirkungen der Maßnahmen um dessen Verbreitung einzudämmen beeinflusst derzeit alle Bereiche unseres Tuns und Handelns. Als ein bedeutender Wirtschaftsbereich leidet auch der Bausektor unter den Einschränkungen und den Folgen der Krise. Gleichzeitig erhält die Digitalisierung einen immensen Bedeutungsschub. Das PropTech PlanRadar, welches über Niederlassungen in der DACH-Region, in UK und Südosteuropa verfügt, beleuchtet die aktuelle Situation der Baubranche in den genannten Regionen und den im Zuge der Krise wachsenden Einfluss der Digitalisierung.

Seit der verstärkten Ausbreitung des Coronavirus im März 2020 in Mitteleuropa haben europäische Länder der Bauwirtschaft unterschiedlich restriktive Einschränkungen auferlegt. Deutschland wird von vielen Nationen als Vorreiter im Umgang mit dem Virus angesehen, dennoch steht auch die hiesige Baubranche vor großen Herausforderungen.
Während zu Beginn der Krise unter anderem in Österreich und dem Vereinigten Königreich der Großteil der Baustellen vorläufig geschlossen wurde, konnte das Gros der deutschen Bauprojekte wenn auch eingeschränkt in der Lieferkette oder durch Personalmangel weitergeführt werden. Zur Stabilisierung der Baukonjunktur haben das Bundesministerium des Inneren und das Bundesministeriums  für Verkehr und digitale Infrastruktur Ende März über die Fortführung der Baumaßnahmen im Hochbau, Straßenbau und Wasserbau entschieden. Hier ist Deutschland dem Vereinigten Königreich deutlich voraus. Denn im Vergleich zu anderen Ländern in Europa, die ihre Pläne veröffentlicht haben, ist die Ausstiegsstrategie des Vereinigten Königreichs noch nicht bekannt und die Auflagen für die Aufrechterhaltung der Baumaßnahmen für zahlreiche Unternehmen schlichtweg zu hoch. Während beispielsweise die Bauarbeiter Spaniens und Italiens ihre Arbeit wieder aufnehmen durften, wurde diese Strategie im Vereinigten Königreich noch nicht grundsätzlich übernommen. Im März dieses Jahres sank damit die Bautätigkeit im Vereinigten Königreich so stark wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Der „IHS Markit Purchasing Managers-Index“ für das britische Baugewerbe sank im März von 52,6 im Vormonat auf 39,3 und markierte damit den niedrigsten Wert seit mehr als 10 Jahren. Um den Sektor zu entlasten wird unter anderem eine Gesetzesänderung für erweiterte Betriebszeiten von Baustellen diskutiert. Mittlerweile haben erste Baustellen in UK den Betrieb wieder aufgenommen.

Auch in Österreich war der weitere Baubetrieb zunächst ungewiss, wie der österreichische Bauunternehmer Christopher Pongratz von der gleichnamigen Baufirma berichtet: „Zu Beginn von COVID-19 haben wir beschlossen, den Betrieb vor Ort für mindestens eine Woche zu unterbrechen, um festzustellen, welche Maßnahmen wir durchführen müssen, um die volle Sicherheit für unsere Mitarbeiter und andere Teilnehmer zu gewährleisten. Nachdem sich herausgestellt hat, dass die Baustellen aufgrund staatlicher Vorschriften offenbleiben, haben wir uns für Gesichtsmasken, Handschuhe und Schutzbrillen entschieden. Eine Woche später wurden diese Vereinbarungen gesetzlich vorgeschrieben und bestätigten so unsere eigenen Entscheidungen.“ Dabei lobt er das schnelle Handeln: „Was mich wirklich beeindruckt hat, war die schnelle Reaktion der Gewerkschaft und der österreichischen Wirtschaftskammer, um eine praktikable Lösung für alle Marktbeteiligten zu finden. Hierbei haben die Regierung und soziale Partner sehr entschlossen reagiert. Was die Wirtschaft jetzt braucht, ist eine möglichst rasche Öffnung der dringendsten Verwaltungsbehörden. Wir benötigen neue Baugenehmigungen, um die Aufrechterhaltung unserer Produktion zu gewährleisten.“

Der Blick auf Südosteuropa zeigt, dass auch hier nach Möglichkeit Baustellen weitergeführt wurden. Kroatien hat mit dem Beginn der Krise darauf geachtet, zumindest wichtige öffentliche Bauprojekte wie die Peljeski-Brücke während der COVID19-Pandemie weiterzuführen. Slowenien, das zu Beginn des Jahres eine deutliche Steigerung der Fertigstellungen von Bauprojekten insbesondere im Tiefbau zu verzeichnen hatte, ermöglichte die Weiterführung von Bauprojekten unter Einhaltung der geltenden Sicherheitsbestimmungen. Und auch in Serbien wurden die meisten Bau- und Infrastrukturprojekte aufrechterhalten – wenn auch mit reduzierten Kapazitäten. Zuletzt empfahl die serbische Regierung allen Arbeitgebern, die ihre Tätigkeit im Zuge der Coronakrise vorerst eingestellt hatten, diese wieder aufzunehmen.

Kommt die deutsche Bauwirtschaft mit einem blauen Auge davon?
Die Coronakrise trifft die deutsche Wirtschaft am Ende eines zehn Jahre andauernden Booms. Viele Baufirmen sind dazu im Stande, die Folgen der Corona-Pandemie länger zu überstehen als Unternehmen anderer Branchen, so urteilt das ifo-Institut Ende April. Die Mehrheit der Befragten gibt hierbei an, länger als sechs Monate bestehen zu können. Allerdings trifft dies kaum auf kleine Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten zu. Die monatliche Konjunkturumfrage des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes zur Nachfrage- und Produktionsentwicklung zeigt, dass die Folgen der Coronakrise auf den Baustellenbetrieb im März bereits deutlich spürbar waren. Die Unternehmen erwarten Auswirkungen auf die Nachfrage in den kommenden Monaten in allen Bausparten. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, stellt fest: "Wir sind froh, dass es bisher gelungen ist, in Deutschland die Bautätigkeit weitgehend aufrechtzuerhalten. Dazu hat vor allem das Auftragspolster, mit dem die Branche in das Jahr 2020 gestartet ist, beigetragen. So kann die Baubranche einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Volkswirtschaft leisten. Aber auch an der deutschen Bauwirtschaft wird die Pandemie nicht spurlos vorüber gehen. Denn wenn bei der Wirtschaft Aufträge in Größenordnungen wegbrechen, werden Investitionen zurückgestellt, mit entsprechenden Auswirkungen auf den Wirtschaftsbau. Wenn Bauämter wegen des Virus nur schwach oder überhaupt nicht besetzt sind, werden keine öffentlichen Aufträge vergeben. Wenn Menschen mit plötzlicher Arbeitslosigkeit bedroht sind, werden sie kein Haus bauen oder Sanierungsarbeiten in Auftrag geben. Insofern fordern wir auch von der Politik, dass zumindest im öffentlichen Bau weiter Projekte ausgeschrieben, vergeben und entsprechend abgewickelt werden. Dringend benötigte Infrastruktur- und Sanierungsprojekte müssen weiter abgearbeitet werden. Aber auch private Bauherren benötigen Impulse, um wieder in ihre Immobilien zu investieren."
Eine große Gefahr für die deutsche Baukonjunktur sieht der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie darüber hinaus zumindest temporär in einem Produktionsrückgang. Faktoren, welche die Produktion bremsen können, sind demnach Probleme bei den Baustoff- und Baumaterialzulieferern, Erkrankungen in den Belegschaften und behördliche Maßnahmen. Die Umsatzprognose des Hauptverbandes sei angesichts der aktuellen Entwicklungen nicht mehr haltbar. Dennoch werde für die Bauindustrie für das Gesamtjahr 2020 erwartet, dass das nominale Umsatzniveau von 2019 erreicht wird. Ein Umsatzplus sei hierbei zunehmend unrealistisch, so der Hauptverband.

Digitalisierung erhält Bedeutungsschub
Die Coronakrise wird die gesamte Wirtschaft und damit auch die Bau- und Immobilienwirtschaft nachhaltig beeinflussen. Dabei wirkt diese auch als Katalysator für die fortschreitende Digitalisierung. Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie, sagt: „Digitalisierung ist das Werkzeug unserer Arbeitswelt – und das nicht erst in einer fernen Zukunft, sondern bereits heute. Ausgerechnet die Corona-Krise zeigt eindrucksvoll, wie in kürzester Zeit das halbe Land erfolgreich ins Mobile Office versetzt wurde. Innerhalb der Baubranche gehören die Unternehmen der BAUINDUSTRIE zu den Vorreitern der neuen Technologien. Neben der Implementierung von BIM in den immer enger verzahnten Planungs- und Bautätigkeiten gehört dazu beispielsweise schon heute die Erschließung innovativer Technologien. Drohnen, Automatisierung, Vorfertigung, serielle Fabrikation und 3D-Druck spielen vielfach bereits heute eine wichtige Rolle und werden in Zukunft das Bauen immer stärker prägen. Ganz neue Berufsprofile entstehen, Bautätigkeiten wandeln sich immer stärker von einem harten Knochenjob in Richtung anspruchsvoller High-Tech-Berufe. Deswegen müssen wir weiter das Thema gemeinsam voranbringen."

Alexander Ubach-Utermöhl, Vorsitzender des europäischen Proptech Hubs blackprint Booster GmbH und Co-CEO der German PropTech Initiative ergänzt: "Der erste Schritt ist die Offenheit, alte Muster zu ändern und neue Prozesse und Technologien auszuprobieren. Die Kontaktsperre hat viele in die Lage versetzt, neue Wege der Arbeit, Interaktion und Zusammenarbeit zu beschreiten. Ich hoffe aufrichtig, dass dies zu einer allgemein neuen Denkweise führen wird, dass Technologie und digitale Geschäftsmodelle der Schlüssel zu einer besseren, nachhaltigeren Immobilienbranche sind." Er sagt weiter: "COVID-19 ist ein erzwungener Live-Test der Remote-Zusammenarbeit. Angesichts der Tatsache, dass die Technologie einigermaßen gut funktioniert, fällt es mir schwer zu glauben, dass wir auf den Status quo ante zurückgreifen werden."

Remote Verwaltung von Baustellen
Gerade während der aktuellen Coronavirus-Pandemie zeigt sich, wie wichtig die Möglichkeit eines ortsunabhängigen Arbeitens ist. Mit Blick auf das Baustellengeschehen kann insbesondere die Planung und Dokumentation des Baubetriebs remote erledigt werden. Während der ersten Woche der Einschränkungen, vom 16. bis 22. März, verzeichnete PlanRadar, das als Tool zur Baudokumentation und für das Mängelmanagement bei Bau- und Immobilienprojekten eingesetzt wird, einen Rückgang seiner Useraktivitäten von 12 Prozent. Dies kann im Zuge der verminderten Bautätigkeit als erste Reaktion auf die Einschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus betrachtet werden. Im weiteren Verlauf und mit der gestiegenen Bedeutung der Remote Verwaltung von Baustellen ließ sich bis Ende April wiederum eine Steigerung von 3 Prozent gegenüber der Woche vor Beginn der Einschränkungen durch COVID-19 messen. Peter Lohmann, Managing Partner der KVL Bauconsult GmbH, betont die Notwendigkeit digitaler Tools: "Die schnelle Ausbreitung der COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen in unserem beruflichen Alltag haben unsere Gesellschaft vor hohe Herausforderungen gestellt. Da in unserem Unternehmen Digitalisierung schon immer oberste Priorität hatte, fiel es uns leicht, kurzfristig auf die Umstände zu reagieren und unsere Dienstleistung in gewohnter Qualität zu erbringen. PlanRadar ist für uns ein unverzichtbares Tool, das es uns ermöglicht, typische Baustellenthemen in die virtuellen Räume zu bringen und ohne physische Anwesenheit zu lösen."

Fabian Duncker, Projektleiter der LeitWerk AG, sagt: "Unsere Auftraggeber erwarten höchste Qualität der Bauausführung und unserer Bauüberwachung, somit müssen auch unsere digitalen Tools diesem Anspruch gerecht werden. In Zeiten von kontaktloser Interaktion merken wir erst, wie wichtig und unverzichtbar ein Baustellenorganisationstool wie PlanRadar ist, um beispielsweise eine reibungslose Mängelbeseitigung termingerecht durchzuziehen.“
Gerade jetzt, wo steigende Kosten nicht mehr an Mieter und Käufer weitergegeben werden können, sind zeit- und kosteneffiziente Lösungen für die Bauwirtschaft ein wichtiges Instrument geworden. Sie bilden die Basis zur Sicherung des weiteren Unternehmenserfolgs.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von PlanRadar GmbH
Erstveröffentlichung: PlanRadar vom 7. Mai 2020

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