Bei Siemens Real Estate (SRE) verantworten wir ein weltweites Immobilienvermögen von über 6 Milliarden Euro an mehr als 2.000 Standorten. Ist BIM für uns ein Thema? Aber selbstverständlich – und das bereits seit einigen Jahren. Allerdings lernen wir dabei auch, dass andere Länder und Regionen in Sachen BIM deutlich weiter sind als wir in Deutschland. Umso mehr sind wir als Bestandshalter gefordert, die Entwicklung voranzutreiben. Deshalb erstellen wir derzeit zum Beispiel auch einen Digitalen Zwilling unseres 2016 eröffneten Siemens Headquarters in München – nachträglich. Denn wir sind überzeugt: Spätestens in fünf Jahren ist das Arbeiten mit BIM Standard.
Unsere Erfahrungen bei SRE mit BIM reichen bereits einige Jahre zurück. Wenn man es genau nimmt, sogar bis ins Jahr 2012. Damals haben wir begonnen, uns Gedanken darüber zu machen, dass und wie wir durch weitreichendes Standardisieren und Typologisieren unserer doch sehr häufig zumindest ähnlichen Büro- und Produktionsbauten einen klaren organisatorischen und finanziellen Vorteil realisieren können. In dieser Zeit wurde auch die BIM-Entwicklung offensichtlicher, und uns war klar: hier liegt die Zukunft.
Allerdings muss man dabei auch ganz ehrlich sagen: In Deutschland steckt BIM bis heute noch in den Kinderschuhen. Auch, wenn ich auf den einschlägigen Podiumsdiskussionen und Panels zum Thema inzwischen einen Wandel erkennen kann. Dort, wo sich noch bis vor einigen Monaten Mitarbeiter und Fachleute tummelten, sitzen heute zunehmend Unternehmenslenker und -leiter aus dem hochrangigen Real Estate Management. BIM ist also – so scheint es – auch bei uns in Deutschland auf der Entscheidungsebene angekommen. Und das ist gut so.
Als global agierendes Corporate Real Estate Management-Unternehmen (CREM) erleben wir nämlich aktuell, dass im Ausland deutlich offensiver und selbstverständlicher mit BIM umgegangen wird.
Ein Beispiel: In den USA arbeitet man bei Neubauten schon seit vielen Jahren mit digitalen Datenmodellen. Vielleicht sind diese Datenmodelle noch nicht so umfassend und ausgereift, wie wir sie in Zukunft brauchen. Aber es gibt sie. In Charlotte, South Carolina, haben wir bereits vor einigen Jahren ein 45.000-Quadratmeter-Werk für große Gasturbinen errichtet. Der Bauunternehmer vor Ort hat dieses Werk komplett in BIM aufgebaut und darüber auch die Vorfertigung konfiguriert. In nur elf Monaten Bauzeit war das Werk fertig.
Auch in Ost- und vielen Ländern Westeuropas zeigt sich ein ähnliches Bild. In Hull an der britischen Ostküste bauten wir eine neue Mega-Fabrik für Rotorblätter von Offshore-Windkraftanlagen – diese wurde natürlich in BIM geplant und daraus erhebliche Kosten- und Zeitersparnisse generiert.
Dabei ist BIM natürlich nicht gleich BIM. Denn die Möglichkeiten, die Daten zu erheben und sie insbesondere auch im späteren Betrieb sinnvoll zu nutzen, erweitern sich geradezu täglich. Darum haben wir bei SRE unseren eigenen BIM-Standard entwickelt. Er gilt für den Neubau genauso wie für den späteren Betrieb, für den wir in einem ersten Pilotprojekt 250 für uns wichtige Attribute definiert haben. Und der Prozess schreitet fort, denn auch wir lernen ständig hinzu.
Doch zurück zu den konkreten Beispielen. Hier eine sehr anschauliche Erfahrung, die wir erst jüngst bei einem unserer Neubauprojekte in Deutschland ohne BIM machen mussten. Dort wurde auf fünf Geschossen im zentralen, 150 Meter langen Hauptflur ein Rohr jeweils zehn Zentimeter zu tief geplant und auch montiert. Mit dem Resultat, dass die Abhangdecke nicht reinpasste und alles nochmal umgebaut werden musste.
Siemens Building Technologies Headquarters in Zug (Schweiz): Fachmodell Heizung-Kühlung-Lüftung-Elektro (Bild: Siemens Real Estate)
Dazu kann ich nur sagen: Mit BIM wäre das nicht passiert. Allein die in BIM mögliche Kollisionsprüfung spart uns bei jedem größeren Bauvorhaben Millionen. Ganz abgesehen von den vielen nachträglichen Änderungen. Wir alle wissen, dass die meisten Änderungswünsche am Bau nach dem Richtfest geäußert werden. Dann, wenn die Entscheider erstmals gesehen haben, wie das fertige Gebäude wirklich aussieht und wirkt. Mit BIM haben sie das aber alles schon vorher in 3D und mit Virtual Reality erlebt.
Wie so etwas im Idealfall laufen kann, erleben wir derzeit beim gerade fertiggestellten und vom ersten Tag an in BIM aufgesetzten Neubau des Siemens Building Technologies Headquarters im schweizerischen Zug.
Gemeinsam mit unserem Kunden, der Siemens Building Technologies, trafen sich unsere Projekt-Crews regelmäßig zu virtuellen Meetings. An großen Touch-Screens wurden Probleme gemeinsam diskutiert und gelöst. Rückblickend können wir sagen: Allein bei der Kollisionsprüfung konnten unsere Statiker doppelt so schnell Lösungen finden, unsere Architekten diese ein Drittel schneller umsetzen. Und wir haben sicherlich einen Großteil aller Kollisionen bereits in der Planungsphase entdeckt, die wir ohne BIM erst auf der Baustelle bemerkt hätten.
Dabei hat sich auch gezeigt, was eines der aus meiner Sicht größten Hemmnisse für BIM gerade bei uns in Deutschland darstellt. Um nämlich BIM während des Baus sinnvoll nutzen zu können, bedarf es einer hohen Bereitschaft zur Kooperation. Transparenz und gegenseitiges Vertrauen sind eine Grundvoraussetzung. Hier erleben wir diesbezüglich immer wieder eine Abwehrhaltung. Hier gilt Wissen als Macht, und vielerorts regiert noch immer die veraltete Ansicht: Dem Kunden lieber nicht zu viel zeigen.
In Zug haben wir auch mit BIM gebaut, weil wir zeigen und erproben wollen, welche Vorteile sich daraus im späteren Betrieb ergeben. Ein besseres Projekt hätten wir kaum wählen können, denn der dortige Hausherr, die Siemens Building Technologies, bietet bereits heute zahlreiche Produkte an, mit denen Gebäude digital gesteuert und betrieben werden können. Der Digital Twin ist hierfür eine Grundvoraussetzung.
Aus diesem Grund erstellen wir nun auch nachträglich für das Siemens Headquarter in München – bei Eröffnung im Sommer 2016 als eines der nachhaltigsten Gebäude Europas ausgezeichnet – einen Digital Twin.
Denn wir sind überzeugt: Die Zukunft eines ökologischen und ökonomischen Gebäudebetriebs liegt in dessen durch zahllose Sensoren erhobenen und im Digital Twin integrierten Daten. Wie wir sie zukünftig noch effizienter nutzen können, erproben wir derzeit auch mit intelligenten Daten-Tools des Internet of Things wie Siemens MindSphere.
Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen: BIM ist cool und macht Spaß. Anstatt vor einem 2D-Plan, den sowieso nur Fachleute lesen können, sitzt man plötzlich gemeinsam mit dem Kunden vor riesigen Touch-Screens, sieht und erlebt das Gebäude von innen und außen. Oder man geht mit einer VR-Brille durch die Räume und kann sie bereits einrichten.
So wie bei unserem Siemens Campus Erlangen, einem der größten Neubauprojekte aller Zeiten von Siemens Real Estate. Dort entsteht derzeit, ebenfalls mit BIM, in mehreren Modulen auf einer Grundstücksfläche von 540.000 Quadratmetern ein neuer, im wahrsten Sinne des Wortes smarter Campus. Die BIM-Daten haben wir erstmals auch genutzt, um eine Campus-App zu programmieren. Schon heute kann man in ihr den zukünftigen Campus virtuell begehen und erhält eine Vision davon, wie es dort später einmal aussehen wird. Auch das ist BIM, und das ist die Zukunft.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Siemens Real Estate
Erstveröffentlichung: BUILDing, 2020: https://www.build-ing.de/fachartikel/detail/bim-macht-spass/