11.10.2017

BIM in der Planerpraxis

Feste Standards für digitales Bauen nötig

Jan-Oliver Meding, Geschäftsführender Gesellschafter, MPP Meding Plan + Projekt GmbH
Jan-Oliver Meding

Die digitale Arbeits- und Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) bietet durch ein gemeinsames Gebäudemodell für alle Projektparteien von Planern über Baufirmen bis zu Bestandshaltern die Chance zu einem Quantensprung. Die Planungsleistung nimmt gleichwohl einen umso größeren Umfang ein: Die zu Projektbeginn kalkulierten Daten fließen noch in die Bewirtschaftung der Immobilie ein. Für eine erfolgreiche Implementierung gilt es daher, verschiedene feste Kriterien einzuhalten. Am Beispiel des Projekts „Wohnen an der Kreuzkirche“ mitten in der Dresdner Altstadt zeigen die Hamburger Unternehmen MPP und REVITALIS REAL ESTATE AG auf, wie BIM erfolgreich gelingen kann.

Die Diskussionen um die Schaffung dringend benötigten Wohnraums in den deutschen Ballungsgebieten konzentrieren sich auf Grundstücks- und Baukosten, Genehmigungsprozesse und verfügbare Flächen. Mindestens genauso wichtig sind gleichwohl die Planungs- und Baugeschwindigkeit sowie ein langer Lebenszyklus der Gebäude. Um auch im aktuellen Wohnungsbau hohe Qualitätsstandards einzuhalten, bietet sich Building Information Modeling (BIM) als wertvolle Hilfe an. Durch die Schaffung einer Vernetzungsplattform besteht Effizienzpotential sowohl für schnelles Bauen als auch für nachhaltige Wohnimmobilien.

Nachhaltiges Planen und Bauen beginnt bereits mit einer verbesserten Kommunikation der Projektbeteiligten. Im Herzen der sächsischen Landeshauptstadt wird hierfür gerade ein Exempel statuiert. Das Projekt „Wohnen an der Kreuzkirche“ des Architekturbüros MPP und des Projektentwicklers REVITALIS wird vollständig mithilfe von BIM realisiert. Auf einem Grundstück von über 3.100 m² entstehen 213 Wohnungen, zwei Gewerbeflächen und eine zweistöckige Tiefgarage mit ca. 120 Stellplätzen. 32 der 213 Wohnungen sind öffentlich gefördert und weisen eine Mietpreisbindung über 15 Jahre auf. MPP koordiniert als Generalplaner die weiteren Fachplaner innerhalb des digitalen Modells, REVITALIS kontrolliert als Bauherr die Erfüllung der Zielvorgaben. Ein wesentlicher Grund für den Einsatz von BIM ist die Komplexität des Projekts. Innerhalb der historischen Umgebung gilt es zum einen, die benachbarte Barockarchitektur zu schützen und das im klassizistischen Stil gehaltene Ensemble behutsam einzufügen. Durch die Mischnutzung aus Gewerbe und Wohnraum in unterschiedlichen Größen kann zum anderen keine Standardplanung wie zum Beispiel bei der modularen Bauweise erfolgen. Nicht zuletzt ist die Tiefgarage mit 120 Plätzen eine planerische Herausforderung, da der Untergrund der Umgebung keinen Schaden nehmen darf.

Informationen zu Materialmassen und Mengen fließen daher frühzeitig bei „Wohnen an der Kreuzkirche“ in die BIM-Software ein. Die maßgebliche Voraussetzung hierfür bildet eine detaillierte Auftraggeberinformationsanforderung (AIA) des Bauherrn. Da es noch keine nationalen Standards für die Formulierung der AIA gibt, muss die Planerseite eventuell fehlende Informationen anfordern und in das gemeinsame Dokument integrieren. Die AIA definiert insbesondere Zielvorgaben, Zeitpläne und Zuständigkeiten innerhalb des BIM-Prozesses. Sie umfasst für jede Leistungsphase den erwarteten Projektfortschritt. Zudem garantiert sie rechtsverbindlich die Einbindung des Bauherrn, der im Rahmen regelmäßiger Planungsbesprechungen die Erfüllung der AIA kontrolliert. Das digitale Baumodell ermöglicht ihm im Prozessverlauf eine frühzeitige „Begehung“ seiner Immobilie mittels 3D-fähiger Brillen. Im BIM-Abwicklungsplan (BAP) sind von Auftragnehmerseite alle Pflichten und Prozesse dokumentiert. Es stellt das Komplementärdokument zur AIA dar und gibt dem Bauherrn Sicherheit über Prozessabläufe und die damit verbundene Einhaltung von Zeit- und Budgetvorgaben.

Kommunikation als größte Herausforderung

Die Erfüllung von AIA und BAP ist gebunden an eine transparente und offene Kommunikation, die in der Praxis womöglich die größte Umstellung darstellt. Es ist hilfreich, zwischen den Planern eine gemeinsame Software zu verwenden. REVIT von Autodesk ragt unter den verfügbaren Lösungen heraus, da sie Statik, Haustechnik und Architektur miteinander vereint. Durch die als App in die BIM-Software integrierbare Kommunikationsplattform BIM Collab ist ein ständiger Austausch auch außerhalb der regelmäßigen Kollisionsvergleiche möglich. Dabei können Aufträge zwischen General- und Fachplanern gegenseitig zugeteilt und Kommentare eingefügt werden. Eine automatische Protokollierung erlaubt den Rückgriff auf bereits geklärte Fragestellungen und Herausforderungen. Aller Vorteile zum Trotz kann der BIM-Softwaremarkt noch mehr Wettbewerb vertragen. Fortlaufende Innovationen und Alternativlösungen auf dem Entwicklermarkt sind in dieser Hinsicht sehr zu begrüßen.

BIM-Manager in entscheidender Position

 

Die Koordination und Weisungsbefugnis bei BIM liegt in den Händen des vom Bauherrn benannten BIM-Managers. In der Regel übernimmt diese Aufgabe ein externer Dienstleister, in zunehmendem Maße aber auch der Generalplaner oder Projektsteuerer. MPP bekleidet diese Rolle beim Projekt „Wohnen an der Kreuzkirche“. Eine verbindliche Kompetenzbeschreibung für den BIM-Manager fehlt allerdings bislang und muss für jedes Projekt neu formuliert werden. Eine Mindestanforderung ist gleichwohl die Festlegung von Standards bezüglich Benennungen von Bauteilen, Messeinheiten und die Positionierung von Achsen und Nullpunkten innerhalb des Modells. Für die Fachplaner gilt es, zu den regelmäßig stattfindenden Besprechungen unter Führung des BIM-Managers das zuletzt besprochene Auftragssoll zu erfüllen. Im Rahmen des vorliegenden Projekts werden solche Planvergleiche im zweiwöchigen Rhythmus durchgeführt. Sie umfassen einen so genannten Kollisionsvergleich: Die einzeln weiterentwickelten Modelle werden dann zusammengeführt, um Abweichungen zu ermitteln und anschließend am gemeinsam ermittelten Baumodell weiterarbeiten zu können. Bei Projekten mit umfangreichem Volumen wie in Dresden können es bis zu 100 verschiedene Kollisionen sein, die nach ihrer Behebung wieder zum identischen Digitalmodell führen. Dem BIM-Manager obliegt die Berichterstattung über den Kollisionsvergleich wie auch, falls erwünscht, die Weitergabe an den Bauherrn. Für große Planungsbüros empfiehlt es sich, BIM konsequent durch die Formulierung eigener Standards zu implementieren, um für die Position des BIM-Managers gerüstet zu sein. Dies betrifft allen voran interne Benennungen und Kategorisierungen von Bauelementen, die allgemeinverbindlich für jedes Projekt angewendet werden können.

Haftung durch die jeweilige Projektpartei

 

Die organisatorische Führung des BIM-Managers ist nicht gleichbedeutend mit einer umfassenden Haftungsverantwortung. Jede Projektpartei trägt die Verantwortung für die eigenständig eingegebenen Daten im jeweiligen Bauteil. Nicht nur die Haftungsfrage, sondern auch die Honorierung sowie Urheberrechte verhindern zum jetzigen Zeitpunkt die Arbeit an einem gemeinsamen, in der Cloud befindlichen Modell von Beginn an. In rein technischer Hinsicht ist mit der Autodesk-Cloud zwar bereits eine Lösung vorhanden. Doch die bislang vorhandene, im internationalen Vergleich noch geringe BIM-Projektpraxis in Deutschland hat noch keine ausreichende Grundlage für rechtsverbindliche Regelungen schaffen können. Die Variante mit einzelnen Modellen und Kollisionsvergleichen klärt hingegen eindeutig die Urheberschaft und erlaubt eine Abrechnung nach HOAI-Leistungsphasen, ohne auf die BIM-Vorteile zu verzichten. Eine strikte Orientierung nach der HOAI ist gleichwohl nicht möglich: Die Leistungsphasen zwei und drei gestalten sich viel arbeitsintensiver, mit der beginnenden Ausführungsplanung reduziert sich der Aufwand dementsprechend. Für eine gerechte Honorierung gilt es folglich, Alternativmodelle zur HOAI zu entwickeln.

Für den Bauherrn steht in jedem Fall mit dem BIM-Manager der Partner zur Verfügung, der ihm die Einheitlichkeit des BIM-Modells und die schrittweise Abarbeitung der AIA zusichert. Der geringere Aufwand in der Ausführungsplanung geht mit einer höheren Detailfülle in der Vorplanung einher. Wie das Projekt „Wohnen an der Kreuzkirche“ zeigt, kann dadurch eine signifikante Reduzierung der Herstellungskosten erreicht werden. Nach Beginn der BIM-basierten Planung Anfang 2017 beginnen die Tiefbauarbeiten Anfang 2018. Die Fertigstellung des Projekts ist für Frühjahr 2020 vorgesehen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von MPP Meding Plan + Projekt GmbH
Erstveröffentlichung: DW - Die Wohnungswirtschaft 10/17

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