10.03.2017

Bezahlbares Wohnen

Wohnungswirtschaftliche Herausforderungen und die notwendige politische Unterstützung

Thomas Hegel, CEO, LEG Immobilien AG
Thomas Hegel

Aus Sicht der Wohnungswirtschaft leben wir in einer Zeit widersprüchlicher politischer und gesellschaftlicher Forderungen: Dem Wunsch nach preisgünstigem Wohnraum und forciertem Neubau stehen die Forderungen nach hochwertigenen ergieeffizienten Gebäuden gemäß der zum 1. Januar 2016 verschärften Energieeinsparverordnung (EnEV), die Regelungen der Mietpreisbremse sowie die geplante 2. Mietrechtsnovelle diametral entgegen. Doch gerade große private Wohnungsunternehmen schaffen es besser als andere, die sich widersprechenden Forderungen auf einen Nenner zu bringen. Damit ihnen dies auch weiterhin gelingen kann, benötigen sie die Unterstützung der Politik. Diese hat zwar den Handlungsbedarf erkannt und das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen geschlossen – die dort erarbeiteten Empfehlungen hat die Politik aber bislang kaum umgesetzt.

Große Wohnungsunternehmen bieten günstigen Wohnraum. Das belegt eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vom November 2015. Beim Vergleich von über 300.000 Wohnungsinseraten auf ImmobilienScout24 für zehn NRW-Großstädte resümierte die Studie: Genossenschaften, aber auch große private Wohnungsunternehmen wie die LEG Immobilien AG, bieten häufig Wohnungen, deren Mieten unter dem Durchschnitt vor Ort liegen. Deutlich höhere Mieten verlangen hingegen andere private Vermieter, wie etwa kleinere Unternehmen und Wohnungsbesitzer. Auch wenn man Lage und Wohnungsqualität berücksichtigt, sind die Durchschnittspreise der großen privaten Wohnungsunternehmen niedriger.

Wohnungswirtschaft als verlässlicher Partner

Die Studie bringt auf den Punkt, was in den Medien bisher kaum Beachtung findet: Die deutsche Immobilienwirtschaft nimmt ihre Rolle als eine der größten Branchen Deutschlands sehr ernst und agiert sozial, ökologisch und wirtschaftlich verantwortungsvoll. Als kompetenter und verlässlicher Partner für Bund, Länder und Kommunen hat sie sich längst fest etabliert. Das klingt in Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim Gut Wohnen um ein menschliches Grundbedürfnis handelt, das in jedem Fall befriedigt werden muss, für viele Menschen wie eine Selbstverständlichkeit. Doch im 21. Jahrhundert hat sich Wohnen zu einer bedeutenden Anlageklasse entwickelt, und Immobilienaktien werden erfolgreich an der Börse gehandelt. Private Wohnungsunternehmen müssen somit heutzutage Forderungen und Wünsche von Mietern, Politikern und Investoren in Einklang bringen und für alle beteiligten Akteure Vorteile schaffen, um am Markt bestehen zu können.

Was Politik und Gesellschaft von der Wohnungswirtschaft erwarten

Als menschliches Grundbedürfnis genießt das Produkt Wohnen einen Sonderstatus, dem wir mit unseren Strategien gerecht werden müssen und wollen. Politik und Gesellschaft haben große Erwartungen an uns als Verantwortliche der Wohnungswirtschaft: Sie fordern eine Unterstützung bei der Bewältigung des Flüchtlingszustroms in Form von Unterbringung und Integration. Sie möchten, dass wir uns verstärkt dem Neubau von preiswertem Wohnraum widmen – bei einem geschätzten Neubaubedarf von rund 400.000 Wohnungen in den nächsten Jahren. Gleichzeitig sollen wir eine moderate Mietpreisentwicklung, insbesondere in Ballungsgebieten, sicherstellen und den demografischen Wandel insofern mitgestalten, dass wir einen entsprechenden Anteil unserer Wohnungen altengerecht umbauen. Hier besteht bis zum Jahr 2020 ein Bedarf von drei Millionen barrierefreien Wohnungen. Nicht zu vergessen ist darüber hinaus der von uns geforderte Beitrag zur Energiewende, denn es gilt, unsere Bestände energetisch zu ertüchtigen und die Versorgung auf erneuerbare Energien umzustellen. Vor diesem Hintergrund darf man zu Recht von einer Mammutaufgabe für die Wohnungswirtschaft sprechen.

Lösungsansätze der Wohnungswirtschaft am Beispiel LEG

Die Aktivitäten der LEG stehen beispielhaft für die Lösungsansätze und das Engagement der großen privaten Wohnungsunternehmen und verdeutlichen, inwiefern wir der Politik heute schon bei der Umsetzung ihrer Programme partnerschaftlich zur Seite stehen. Mit einem Mietpreis von durchschnittlich 5,21 Euro/m² bietet die LEG bezahlbaren Wohnraum in NRW, wo das durchschnittliche Familieneinkommen unter 2.000 Euro und die Durchschnittsmiete bei über 6 Euro/m² liegt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor der LEG ist dabei in den Größenvorteilen zu sehen, die sich aus ihrer Portfoliokonzentration und der marktführenden Stellung in der attraktiven Metropolregion Nordrhein-Westfalen ergeben. Auf den Bereich Modernisierung bezogen bedeutet das unter anderem, dass die LEG beim Einkauf von Bauleistungen Kostenvorteile an ihre Mieter weitergeben kann. Da Wohnen mit diversen weiteren Kosten, insbesondere der sogenannten „zweiten Miete“, verbunden ist, baut die LEG ihr Angebot an mieternahen Dienstleistungen kontinuierlich aus. Dafür haben wir zwei eigenständige Gesellschaften gegründet, die den Mietern spezielle Services über das Wohnungsangebot hinaus und attraktive Multimedia-Angebote offerieren. Diese Gesellschaften kümmern sich außerdem um die komplette energiewirtschaftliche und energietechnische Bewirtschaftung sowie die Versorgung der Immobilien. Dank optimierter, moderner Anlagentechnik und günstigen Einkaufspreisen für Energie profitieren die Mieter so von günstigen Heizkosten.

Benötige Hilfestellung seitens der Politik

Wir als Wohnungswirtschaft wachsen mit unseren Aufgaben – und wir nutzen die Chancen, die uns die aktuellen Herausforderungen bieten. Doch in Anbetracht der Fülle und Bandbreite der aktuell zu bewältigenden Aufgaben ist eine Unterstützung seitens des Bundes unabdingbar. Wir befürworten die Einführung von Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge. Die Politik sollte prüfen, ob mit Hilfe von gezielten Anreizen – schnellere Zuweisung einer eigenen Wohnung, raschere Erteilung einer Arbeitserlaubnis und Vermittlung in offene Stellen – Flüchtlinge verstärkt auch in Klein und Mittelstädten von Stagnations- und Schrumpfungsregionen angesiedelt werden können. Auf diese Weise könnten leerstehende Wohnungsbestände sinnvoll genutzt und der Druck auf Ballungszentren könnte zumindest zeitweise gemindert werden.

Die Schaffung von Anreizsystemen für Investitionen in den Wohnungsneubau ist ebenfalls ein Muss. Hier brauchen wir flexible und innovative Lösungen. Es gilt unter anderem, Ansätze zu finden, wie Wohnungsbauförderung anders finanziert werden kann als mit den gängigen Programmen, damit der Bund Kommunen – aber auch Private – direkter und schneller finanziell unterstützen beziehungsweise entlasten kann. Entbürokratisierung ist auch in Hinblick auf Baugenehmigungen ein wichtiges Ziel. Denn deren Bearbeitungszeiten müssen dringend verkürzt werden, um dem enormen Neubaubedarf zeitnah gerecht werden zu können. Ebenso muss ein großes Augenmerk auf eine mögliche Lockerung der seit 1. Januar 2016 verschärften Energieeinsparverordnung (EnEV) gelegt werden. Für den Neubau sollte die Politik diese Verschärfung angesichts des hohen Bedarfs an preisgünstigen Wohnungen und der aufgrund von energetischen und sonstigen Baustandards steigenden Baukosten überprüfen. Hier gilt es auf der Grundlage vorliegender Studien sowie neuer Untersuchungen nochmals kritisch abzuwägen, unter welchen technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der neue EnEV-Standard sowohl dem Wunsch nach bezahlbarem Wohnungsneubau als auch den Klimaschutzzielen gerecht wird.

Die Baukostensenkungskommission hat festgestellt, dass mithilfe von Modularisierung, Standardisierung und industrieller Vorfertigung Prozesskosten eingespart werden können. In diesem Kontext könnten sich Typengenehmigungen als hilfreich erweisen, denn bei allen Maßnahmen sollten verbindliche Standards definiert und eingehalten werden und gleichzeitig die Baukultur nicht verloren gehen. Eine weitere herausragende Rolle spielt für uns das Mietrecht. Hier gibt es großen Handlungsbedarf für die Politik, die Gesetze dahingehend zu optimieren, dass ein investitionsfreundliches Klima geschaffen wird. Mit der Mietpreisbremse hat die Große Koalition das eigentliche Problem steigender Mieten in einigen Großstädten nicht beseitigt. Vielmehr bremst diese Maßnahme anstelle von Kostensteigerungen für das Wohnen den dort dringend notwendigen Neubau aus. Investoren werden abgeschreckt, die Situation wird verschlimmert – und die Lösung lediglich weiter in die Zukunft verschoben. Darüber hinaus ist die geplante Novellierung des Mietrechts in der derzeit angedachten Form kontraproduktiv. Sie entzieht den Wohnungsgesellschaften mittelfristig ca. zwei Drittel des für die Errichtung neuer Wohnungen verfügbaren Eigenkapitals. Gerade den sozial verantwortlichen Wohnungsunternehmen, die für die Bewältigung der gesellschaftspolitischen Herausforderungen von der Politik als Partner dringend gebraucht werden, nimmt man so den nötigen Handlungsspielraum.

Fazit

Größtenteils kooperieren Wohnungswirtschaft und Politik bereits partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Damit dies auch künftig so bleibt, ist ein klares Bekenntnis der Politik zu den Zielen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen
notwendig, nämlich gemeinsam die Voraussetzungen für den Bau und die Modernisierung von Wohnraum in guter Qualität, vorzugsweise im bezahlbaren Marktsegment, zu verbessern.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftbericht 2016