Sozialverträglich, aber nicht gerecht
Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass bezahlbarer Wohnraum, der von Großstädten oftmals per Quote bei Neubauprojekten gefordert wird, durch höhere Kauf- und Mietpreise der frei finanzieren Wohnungen subventioniert wird. Die städtischen Auflagen haben zur Folge, dass die Investitionskosten steigen und die Rentabilität von Projektentwicklungen im Wohnbereich abnimmt. Zudem führen die Baulandentwicklungsmodelle zu ungewollten Verdrängungseffekten in den Innenstädten.
Ob in der Politik, der Tageszeitung oder im Gespräch mit Freunden, die gerade eine neue Wohnung suchen – der Wohnraummangel in deutschen Metropolregionen erscheint allgegenwärtig. Fakt ist: Egal ob im unteren oder mittleren Preissegment – es gibt derzeit zu wenige bezahlbare Wohnungen im Bestand und die Neubauaktivitäten decken nicht ansatzweise den Bedarf. Um diesem Dilemma entgegenzuwirken, haben viele Großstädte individuelle Modelle zur sozialverträglichen Baulandentwicklung verabschiedet, die neben infrastrukturellen Auflagen Quoten zur Realisierung von gefördertem Wohnungsbau beinhalten. So gibt es beispielsweise in Berlin das ‚Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung‘, in Hamburg das ‚Hamburger Bündnis für Wohnen‘ oder in München die ‚Sozialgerechte Bodennutzung‘. Diese Modelle greifen meist dann, wenn im Rahmen eines neuen Wohnbauvorhabens ein Bebauungsplan aufgestellt oder verändert werden muss. Somit verpflichten immer mehr Städte in Deutschland Projektentwickler und Bauträger durch vorgeschriebene Quoten zum Bau von Sozialwohnungen.
Um den geforderten Anteil günstiger Wohnungen je nach zutreffendem Baulandentwicklungsmodell zu erreichen, gibt es verschiedene Realisierungsmöglichkeiten, von denen die Befragten – je nach Standort und Projekt – zum Teil auch mehrere parallel umsetzen. Von rund zwei Dritteln der Befragten (65 Prozent) – und somit am häufigsten genannt - wurde die Variante, dass der Projektentwickler alle Wohneinheiten selbst baut und diese dann unter Berücksichtigung der vorgegebenen Quoten verkauft oder vermietet. Die Option alle Wohneinheiten zu bauen, jedoch den sich aus der geforderten Quote ergebenden Anteil davon schlüsselfertig an kommunale Wohnungsunternehmen zu verkaufen, nannten 31 Prozent der Umfrageteilnehmer. Ebenso häufig wurde auch die Möglichkeit genannt, einen Teil des Grundstücks für den geforderten Quotenanteil an kommunale Wohnungsunternehmen zu verkaufen, die dann dort die geforderten Sozialwohnungen selbst errichten. Doch oft fehlen kommunalen Wohnungsunternehmen die Zeit und die nötige Kapazität für den Bauaufwand, so dass sie eher fertige Wohneinheiten zur Realisierung des Quotenanteils kaufen als das anteilige Grundstück. Die Idee, als Partner einer Quartiersentwicklung nur ein bestimmtes Segment zu bauen, gehört bei 14 Prozent der Befragten zu Praxis. Zwölf Prozent gaben jedoch an, sich aufgrund der bestehenden Vorgaben aus manchen Standorten zurückzuziehen. Vor allem der Rückzug kann wohl kaum im Sinne des Erfinders sein.
Ohne Kita keine Baugenehmigung
Neben einem vorgeschriebenen Anteil an Sozialwohnungen müssen Bauträger und Projektentwickler im Rahmen von städtebaulichen Verträgen meist noch weitere Auflagen erfüllen. Am häufigsten handelt es sich dabei um die Errichtung von Kindertagesstätten, die von 78 Prozent der Befragten genannt wurde. Diese werden meist in dem Mietwohnungsanteil integriert und oftmals findet sich ein Träger für die Übernahme. Direkt danach folgen mit Nennungen von jeweils 71 Prozent die Kostenübernahme für die Gestaltung öffentlicher Grünflächen und Wege beziehungsweise für Erschließungs- und Immissionsschutzanlagen. Deutlich seltener werden denkmalpflegerische Maßnahmen oder die Kostenübernahme für Grundschulplätze verlangt, die 37 bzw. 35 Prozent der Befragten nannten. Letztendlich ist es die Summe der umzusetzenden Maßnahmen, die sich auf die Gesamtkalkulation auswirkt. Die Gemeinden wälzen dabei einen erheblichen Teil auf die Projektentwickler ab, wobei die Rechtfertigung nicht immer ganz nachvollziehbar ist. Schließlich profitieren Städte und Kommunen vom Zuzug der Bewohner – z. B. durch höhere Steuereinnahmen.
Mehr als die Hälfte der Bauträger subventionieren die durch die Baulandentwicklungsmodelle und den vorgeschriebenen Anteil an Sozialwohnungen verursachten zusätzlichen Kosten über höhere Kaufpreise bzw. 39 Prozent über die Mietpreise der übrigen Wohneinheiten – je nach Geschäftsmodell. 49 Prozent der Befragten nannten eine Finanzierung über Wohnbaufördermittel, wobei Projektentwickler, die keinen eigenen Bestand halten, aufgrund dieser Tatsache meist schon durch die Fördervoraussetzungen fallen. 37 Prozent gaben an, geringere Gewinne in Kauf zu nehmen. Diese Antwort stammte jedoch zum Großteil von kommunalen Wohnungsgesellschaften sowie Wohnungsbaugenossenschaften.
Bis zu 15 Prozent mehr Kosten
Die im Rahmen der Baulandentwicklungsmodelle von Bauträgern und Projektentwicklern verlangten Maßnahmen führen bei der Hälfte von ihnen zu einem Anstieg der Investitionskosten um 6 bis 15 Prozent. Bei 14 Prozent beliefen sich die Kostensteigerungen sogar auf 16 bis über 25 Prozent. 16 Prozent verbuchten Kostensteigerungen von bis zu fünf Prozent und lediglich 20 Prozent der Befragten sahen keine Auswirkungen auf die Investitionskosten. Analog zu den Investitionskosten steigen auch die Kauf- und Mietpreise – wobei die Kaufpreise eher und stärker steigen als die Mietpreise. Die Mehrheit nennt in beiden Preiskategorien eine Erhöhung von 6 bis 15 Prozent.
Die Käufer von Eigentumswohnungen finanzieren somit im Endeffekt den Anteil der sozialen Wohnungen und die immer höher werdenden Einstiegspreise erschweren die Eigentumsbildung für die Mittelschicht. Neubau heißt heute Wohnen für Arm und Reich, denn dazwischen bleibt nicht viel. Haushalte im mittleren Einkommensbereich können sich weder hochpreisige Eigentumswohnungen leisten noch sind sie berechtigt, in Sozialwohnungen einzuziehen. Thema Gentrifizierung rückt damit in ein neues Licht. Es werden nicht mehr allein Menschen mit geringem Einkommen aufgrund von Sanierungsmaßnahmen aus dem Altbaubestand der Innstädte verdrängt, sondern auch Gutverdienenden wird das Wohnen in der City verwehrt.
Die steigenden Investitionskosten wirken sich auch auf die Rentabilität aus: Insgesamt verzeichnen 49 Prozent der Befragten zumindest eine leichte Abnahme der Rentabilität ihrer Projekte, bei weiteren 14 Prozent kam es sogar zu einem starken Rückgang. Lediglich zwei Prozent berichten von einer höheren Rentabilität. Unter den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten sind viele Kapitalanleger und Selbstnutzer noch bereit die angestrebten Preise zu zahlen. Zum einen bietet das niedrige Zinsniveau günstige Finanzierungsmöglichkeiten und zum anderen gibt es derzeit kaum bessere Anlagealternativen hinsichtlich der Renditeerwartungen. Doch ändert sich dieses Umfeld, müssen Bauträger die Gewinnspanne bald noch enger schnallen. Für diese Aussichten sind jedoch nicht allein die Baulandentwicklungsmodelle verantwortlich. Würde die Politik den Bauträgern an anderer Stelle entgegen kommen – z. B. bei der Energieeinsparverordnung, Stellplatzverordnung, Grundstückssteuern – könnten Wohnungen wesentlich schneller und günstiger errichtet werden. Vielleicht ist die geplante Novellierung des Bauplanungsrechts ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Bei der Frage, ob die Baulandentwicklungsmodelle maßgeblich zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum beitragen, sind sich die Umfrageteilnehmer uneinig: 44 Prozent glauben, dass die Modelle zur Erreichung der damit verbundenen Ziele beitragen können. 38 Prozent sind dagegen nicht davon überzeugt. Doch wären sie nicht erlassen worden, würde kaum ein Bauträger freiwillig Sozialwohnungen errichten. Aufgrund der Summe an Vorschriften, Regulierungen und Bürokratie ist es nahezu absurd Wohnungen für 6,50 Euro pro Quadratmeter rentabel zu bauen. Zwar zwingen die Baulandentwicklungsmodelle dazu, doch scheint es angesichts des hohen Bedarfs wie ein Tropfen auf den heißen Stein.
Zur Umfrage: An der Online-Umfrage „Per Quote zum Erfolg“ zur Einschätzung der Baulandentwicklungsmodelle und deren Auswirkungen auf Renditen, Preise und Mieten haben sich insgesamt rund 90 Experten der Immobilienwirtschaft beteiligt. Davon sind 83 Prozent im Wohnungsbau aktiv. Projektentwickler stellen dabei mit einem Anteil von 57 Prozent die größte Gruppe. Danach folgen private Wohnungsgesellschaften mit einem Anteil von 18 Prozent, kommunale Wohnungsgesellschaften mit 12 Prozent sowie Wohnungsgenossenschaften mit 9 Prozent. Die befragten Bauträger entwickeln pro Jahr rund 20.800 Wohneinheiten – davon 54 Prozent Eigentumswohnungen und 46 Prozent Mietwohnungen. Verglichen mit der bundesweiten Neubautätigkeit, die im Jahr 2014 in allen deutschen Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern erreicht wurde, entspricht das Realisierungsvolumen der Befragten rund einem Drittel.[1]
[1] Die Umfrage wurde im Rahmen einer Bachelor-Thesis an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Kooperation mit der RUECKERCONSULT GmbH durchgeführt. Erstgutachter: Prof. Dr.-Ing. Fritz Schmoll genannt Eisenwerth, Zweitgutachterin: Dr. Julia Neuhaus
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Rueckerconsult GmbH
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, Januar 2017