Mit Machine-Learning zu besseren Immobilienentscheidungen
Das menschliche Gehirn kann Außergewöhnliches leisten. Wo liegen jedoch seine Grenzen bei Unternehmenstransaktionen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Investment- und Objektmanagement von Immobilien? Ab wann fällen Systeme, die maschinelle Daten nutzen, genauere Entscheidungen als der Mensch?
Die menschliche Intuition ist zweifelsohne ein wichtiger Faktor. Surabhi Kejriwal und Saurabh Mahajan, die bei Deloitte in der Forschung tätig sind, erläutern: „Die [Immobilien-Investment- und Management-] Branche hat lange Zeit von Beziehungen profitiert, die den Investoren häufig Zugang zu einzigartigen Informationen gewährt haben. Die meisten Investoren pflegten, solche Informationen mit ihrem Bauchgefühl zu kombinieren, um Investitionsentscheidungen zu treffen.“
Obwohl die Intuition ein wertvolles Tool sein kann, weist Tim Stobierski, Autor bei Harvard Business School Online, darauf hin, dass „es ein Fehler wäre, alle Entscheidung nur aus dem Bauch heraus zu treffen. Auch wenn die Intuition den notwendigen Anstoß oder Funken zum Einschlagen einer bestimmten Richtung liefern könne, seien Daten notwendig, um prüfen, verstehen und quantifizieren zu können.“
Ein Expertenteam von McKinsey pflichtet dieser Ansicht bei und merkt an, dass bei einer komplexen Entscheidungsfindung Analysten „viele Millionen Einträge oder Datenpunkte durchsieben müssten, um klare Muster zu erkennen, und über nur wenige Tools verfügten, die ihnen helfen würden, aus solchen Materialien Erkenntnisse zu gewinnen.“ Bis die Daten für das Identifizieren einer Vorgehensweise erhoben, zusammengetragen und verarbeitet wurden, habe man die besten Chancen laut den Experten bereits verpasst. Ein weiteres Problem ist die kognitive Verzerrung, die aufgrund von Informationen, die aus falschen Quellen stammen, zu Fehlentscheidungen verleiten kann.
Stobierski erläutert jedoch, dass es glücklicherweise „für Unternehmen aller Größenordnungen noch niemals so leicht gewesen sei, Daten zu erheben und zu analysieren und daraus echte Erkenntnisse zu gewinnen“. Solche Daten können für die Messung der Portfolioqualität anhand verschiedener Parameter wie Einnahmen, Schulden, Risiken, Belegung und Vertrieb sowie für die Handhabung bestimmter Faktoren auf der Objektebene – wie Stromverbrauch oder Forderungen – verwendet werden. Ronald D. Marten, zertifizierter Gewerbeimmobilienmakler (CCIM), merkt in einem von Forbes publizierten Artikel an, dass „Gewerbeimmobilienmakler, die auf die intelligenten Datentools von heute zugreifen könnten, die Möglichkeit hätten, sich selbst und ihre wichtigsten Unterscheidungsmerkmale gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren. Heute könnten potenzielle Käufer auf Hochwasserkarten, demographische Berichte, Verkehrszahlen, Informationen über Mieter und Einzelhändler sowie weitere Daten zugreifen. Auf diese Weise würden sie alles über die betreffende Immobilie erfahren und könnten genau vorhersagen, mit welchem ROI sie am Tag eins rechnen dürften.“
Woraus bestehen Machine-Learning-Algorithmen in der Welt der Immobilien? Die Kombination aus Makroprognosen und lokalen Prognosen ermöglicht zum Beispiel das Identifizieren von Gebieten mit der höchsten Nachfrage nach Wohnimmobilien. Investoren von Einkaufszentren können Betriebsdaten aus der Objektebene mit Vertriebsdaten verknüpfen, die mithilfe von Mobile-Sensoren, Social Media sowie Verkäufen in physischen Geschäften gewonnen wurden, und anschließend Machine-Learning-Algorithmen anwenden, um das Kaufverhalten der Kundschaft zu analysieren. Mieter von Gewerbeimmobilien können die Mietpreise auf verschiedenen Märkten miteinander vergleichen, um sachkundigere Entscheidungen treffen und neue Räumlichkeiten schneller beziehen zu können.
Daten, die aus mehreren verschiedenen Systemen zusammengetragen wurden, sind komplex und fehleranfällig. Aus diesem Grund wurden intelligente Softwareanwendungen entwickelt und auf den Markt gebracht, die Daten aus dem gesamten Asset-Management-Lebenszyklus erfassen, verarbeiten und verwenden. In Kombination mit Maßnahmen, die von Machine-Learning-Algorithmen empfohlen wurden, ermöglicht diese Technologie die Verwaltung der Transaktionen, der Budgetierung, der Investorenberichte sowie weiterer Elemente innerhalb eines einzigen integrierten Systems.
Entwickler, die zum Beispiel neue Grundstücke suchen, können fortschrittliche Analysen verwenden, um unter anderem das Potenzial und die Verwendungsmöglichkeiten von Immobilien sowie die Preise zu bewerten. Asset Manager können Pipelines evaluieren, die Transaktionen den jeweiligen Investoren zuordnen, die Mieteinnahmen aus ihren Immobilien mit den Mieteinnahmen aus anderen Immobilien in einem bestimmten Gebiet vergleichen, Kapitalabrufe mit den Daten aus Investitionslebenszyklen verknüpfen und Berichte erstellen. Daten aus der Objektebene, die an einem zentralen Speicherort zusammengetragen wurden, gewähren Einblicke in sämtliche Bereiche, angefangen bei Online-Mietzahlungen bis hin zur Senkung von Heizungs-, Klimatisierungs- und Lüftungskosten sowie Bauprojekten.
Kejriwal und Mahajan weisen darauf hin, dass „Investoren und Manager Analysen und KI in den wichtigsten Phasen des Investitionslebenszyklus einsetzen könnten, vom Abschluss des Geschäfts bis hin zum Portfolio- und Risikomanagement. Zudem könnten diese Technologien helfen, die Effizienz und Wirksamkeit betrieblicher Prozesse zu erhöhen, zum Beispiel in den Disziplinen Datenintegrierung, Investmentbuchhaltung und Berichterstattung.“
Die Softwaretechnologie für Immobilien birgt ein enormes Potenzial, das die Entscheidungsfindung von Mensch zu Maschine verlagern kann. Kognitive Verzerrungen lassen sich vermeiden, indem sämtliche Informationen zum Asset Management auf den Objekt- und Portfolioebenen erfasst und universell bereitgestellt werden. Auf diese Weise kann der Mensch den schwierigen Prozess der Entscheidungsfindung datenbasierten Systemen überlassen.
Moderne Analysen können Investoren und Managern helfen, Risiken von der Objekt- bis hin zur Behördenebene zu verstehen und gleichzeitig die menschliche Verzerrung zu reduzieren. Solche Analysen ermöglichen eine schnellere Entscheidungsfindung, die Senkung der Transaktions- und Betriebskosten sowie eine effektivere Optimierung des Risikomanagements und des Portfolios. Im Endeffekt sind Kejriwal und Mahajan überzeugt, dass „Investoren und Investment Manager Datenanalysen und Künstliche Intelligenz in ihre bestehenden Erwerbs-, Veräußerungs- und Portfoliomanagementprozesse einbinden könnten, um entstehende Risiken und komplexe Sachverhalte effizienter handhaben zu können.“
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Erstveröffentlichung: TPP, März 2021