Neu erbaute Immobilien stehen häufig als trist und trostlos in der Kritik. Eine höhere architektonische Qualität ist jedoch auch ohne den Einsatz von viel Kapital erreichbar. Welche Maßnahmen lassen sich kostensparend umsetzen?
Neubauten stehen an vielen Orten in Deutschland in der Kritik. Sie sähen oft einheitlich und monoton aus. Ihnen fehle die architektonische Qualität. Die Kritik wird in der Regel lauter, wenn viele Neubauten oder ganze Viertel entstehen. „Hässlich wie die Nacht“ titelte die Frankfurter Neue Presse beispielweise über das Europaviertel der Mainmetropole. Die WELT bezeichnete die moderne Architektur in einer Schlagzeile als „menschenfeindlich, kalt, lieblos“ und sprach im selben Artikel von „Gebäudeklumpen“.
Für mich – ich bin selbst Architekt – ergibt sich daraus eine zentrale Frage: Wie kann die architektonische Qualität mit einem möglichst geringen Einsatz an Mitteln verbessert werden. Letzteres ist in Zeiten gestiegener Baukosten und hoher Neubaupreise ebenfalls sehr wichtig.
Ein großer Ansatzpunkt ist meiner Meinung nach eine gewisse Variabilität der Materialien. In der Praxis sind oft ganze Objekte aus ein und demselben Material – häufig Beton. Abwechslung in den Fassadenmaterialien bzw. der Außenverkleidung haben jedoch eine große Wirkung. Wir haben beispielsweise bei mehreren Objekten mit Schiebeelementen aus Holz gearbeitet. Auch die Gestaltung von Teilen in Metall- oder Blechoptik bringt Abwechslung. Wir haben sehr gute Erfahrungen bei Balkonbrüstungen mit diesen Materialien gemacht. Ein anderes Beispiel aus der klassischen Architektur-Sprache ist ein so genanntes Bossenwerk – das ist die Gliederung einer Oberfläche in „erhabene" Bereiche sowie Vertiefungen. Die Ziegeloptik, die sich auf das Erdgeschoss beschränkt, ist ein gängiges Beispiel. Bossen lassen sich auch heute kostengünstig einsetzen, da es möglich ist, sie nur oberflächlich anzubringen. Alle genannten Beispiele erzeugen ein Gefühl der Hochwertigkeit und durchbrechen die Monotonie.
Ein anderer wichtiger Verbesserungsvorschlag ist ein neuer Einsatz von Dämmstoffen. Da heutzutage ohnehin alle Neubauten gedämmt werden müssen, gibt es hier einen besonders großen Hebel. Dämmmaterial sollte generell nicht nur funktional gesehen werden, es muss vielmehr als Gestaltungselement begriffen werden. Hier lassen sich mit verschiedenen Materialien unterschiedliche Reliefs schaffen – beispielsweise gegliedert nach Etagen. Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung des Dämmstoffs, um Fensteröffnungen zu gestalten oder zu betonen.
Ein nächster Vorschlag betrifft vor allem die Gliederung der Fassade: So sind Schattenfugen und Fensterumfassungen mit überschaubarem Aufwand herzustellen. Sie leisten aber einen wichtigen Beitrag, den Eindruck von Monotonie abzumildern, indem sie eintönige und großflächige Fassaden ergänzend zu den Fensteröffnungen gliedern.
Zwei weitere unterschätzte Punkte sind die Themen Farbkonzepte und Beleuchtung. Vor allem der Aspekt Farbe wird im heutigen Planungs- und Bauprozess schlicht zu wenig bedacht. Es fehlt ein Arbeitsschritt, der sich mit dem Thema Farbe intensiv befasst. In der Praxis erfolgt die Farbentscheidung oft relativ spät im Planungs- und Bauprozess. In der Regel ist kein Architekt mehr eingebunden. Hinzu kommt, dass die Entscheidung oft zweckmäßig und schnell getroffen wird. Das Ergebnis sind dann teilweise zu bunte Häuser oder eine nichtssagende Gebäudefarbe. Statt dessen sollten mehrere Farbentwürfe und Konzepte ausgearbeitet werden. Ein einfaches Mittel zu einer besseren Farbgestaltung ist beispielsweise die farbliche Absetzung entweder des Erdgeschosses oder des Penthouses. Beides lockert auf und schafft Abwechslung.
Fast noch stiefmütterlicher als die Farbe wird das Thema Beleuchtung behandelt. Auch deren Planung erfolgt oft eher zufällig und wird stark von Kostenaspekten geleitet. Mit einer Veränderung der Beleuchtung nachts lassen sich beispielsweise Außenanlagen und Gemeinschaftsflächen erheblich aufwerten. Bei einer Anlage in unserem Bestand haben wir nur die Wärme des Lichtes variiert – von kalt nach warm. Dies hat die Atmosphäre in den Außenanlagen bei Nacht erheblich verbessert und die Akzeptanz gesteigert. Manche Immobilien wirken im Dunkeln sehr massig oder bedrohlich. Um dies zu verhindern, können Visualisierungen bei Nacht hilfreich sein, um die Wirkung einer Immobilie bei Dunkelheit zu eruieren. Leider werden Nacht-Visualisierungen in der Praxis so gut wie nie erstellt.
Fazit: Auch mit wenig finanziellem Einsatz lassen sich lebenswertere Wohnräume und optisch attraktivere Stadtviertel schaffen, die die Kritik an monotoner Architektur verstummen lassen.
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Erstveröffentlichung: Frankfurter Allgemeine Zeitung, August 2024