Sicherer Hafen – mit begrenzter Kapazität und Untiefen
Deutschland steht augenblicklich wirtschaftlich und demographisch nicht gut da. Beim Wachstum markiert die viert größte Volkswirtschaft laut IWF momentan den letzten Platz unter den großen Industrienationen. Zudem leidet das Land nicht erst seit dem Zerbrechen der Regierungskoalition am 6. November unter politischer Führungsschwäche und einem nachhaltigen Reform- und Investitionsstau. Hinzu kommt die demographische Entwicklung: Deutschland ist im Schnitt 44,6 Jahre alt und der Anteil der Senioren und Hochbetagten steigt stetig. 2040 werden 20,9 Prozent der Deutschen über 67 Jahre alt sein. Aktuell liegt der Anteil der Senioren bundesweit bei 16,5 Prozent.
Ganz anders stellt sich die Entwicklung in der Hauptstadt Berlin dar. Hier ist die Bevölkerung im Schnitt 42,5 Jahren und das Wirtschaftswachstum mit 2,0 Prozent deutlich höher als im Landesdurchschnitt (0,2). An dem damit verbundenen Zuzug wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Zwar werden die Deutschen nicht sprunghaft mehr (+0,6 Prozent bis 2040), doch befindet sich das Land in einem langfristigen strukturellen Umbau, von dem Berlin nachhaltig profitieren wird. Strukturelle Krisen in wichtigen Wirtschaftszweigen, darunter Automobil- und Chemieindustrie, der Geburtenkollaps in einer ganzen Reihe von strukturschwachen Regionen und Aufstieg rechter Parteien namentlich in Ostdeutschland machen die deutsche Provinz für gut ausgebildete Menschen und junge Familien zukünftig noch unattraktiver.
Umgekehrt werden die Zuwanderung in wirtschaftlich diversifizierte Dienstleistungsmetropolen und der Trend zur Urbanisierung in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Berlin beispielsweise wird nach konservativer offizieller Prognose 2040 mehr als 4 Millionen Einwohner haben (aktuell 3,8). Die Stadt ist zugleich der mit Abstand größte Mietwohnungsmarkt – rund 85 Prozent der Berliner wohnen zur Miete und dank steigender Einkommen sind deren Wohnungen für internationale Investoren besonders interessant.
Nirgendwo gibt es so viele attraktive Bestände und nirgendwo ist das Risko eines Überangebots so gering wie in der deutschen Hauptstadt. Seit mehr als zehn Jahren versucht die Stadt jährlich 20.000 Wohnungen zu bauen. Nie wurde diese Zahl auch nur annähernd erreicht. Zudem gibt es in fast jedem Portfolio ein hohes Potenzial für Mietanpassungen. Die durchschnittliche Bestandsmiete liegt laut Mietspiegel bei 7,21 Euro je Quadratmeter!
Trotz des großen Mietwohnungsbestands es für Investoren jedoch schwierig, in Berlin zum Zuge zu kommen. Denn gemessen am Angebot ist sehr viel Anlagekapital unterwegs. Daher gibt es kaum Raum für eigentlich erforderliche Preisanpassungen. Mehrfamilienhäuser in Berlin werden derzeit für das 20- bis 24-Fache der Jahresnettomiete gehandelt. Bei einem risikofreien Zins von rund vier Prozent lassen sich so nur schwer adäquate Renditen erwirtschaften.
Das heißt: aufgrund des zunächst geringen wirtschaftlichen Spielraums und möglicher Anlagealternativen, wird man Ankaufsentscheidungen kaum auf dem Papier oder im virtuellen Raum treffen können. Das gilt insbesondere für die begehrten Altbauten in den Innenstadtlagen, die einerseits teils Instandhaltungsrückstau und einen hohen Energieverbrauch aufweisen, anderseits hinsichtlich der Möglichkeiten der energetischen Sanierung nur einen geringen Spielraum bieten. So sind in Berlin viele Wohnungen mit Gasetagenheizungen ausgestattet, die nach deutscher Gesetzeslage nicht mehr erneuert werden dürfen, wenn der Anteil regenerativer bei 65 Prozent liegt. Das lässt sich jedoch nur schwer darstellen, so dass vielfach eine Umstellung auf Fernwärme unausweichlich ist – und die ist in Berlin aufgrund des Umstellungs- und Modernisierungsbedarf beim größten Versorger vergleichsweise teuer.
Hinzu kommen diverse Berliner Eigenheiten, wie der weitverbreitete Milieuschutz, der Anpassungen an zeitgenössische Wohnstandards erschwert – wenn nicht gar verhindert – sowie die wachsende Zahl von Sanierungsgebieten. Dort sind Eigentümer qua Satzung an den Kosten des Stadtumbaus, einschließlich der Errichtung von Grünanlagen, Spielplätzen und der Erneuerung von Gehwegen etc. beteiligt. Mit anderen Worten: Es lohnt sich, in Berlin genau hinzusehen, wo man welche Wohnungen kauft. Und man sollte sich keinesfalls zu einem höheren Kaufpreis verleiten lassen.
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Erstveröffentlichung: Green Street News, November 2024