Der umstrittene Berliner Mietendeckel sorgt derzeit bundesweit für Wirbel. Während das Vorhaben der Landesregierung die einen freut, lässt es andere besorgt aufschreien – enthält es doch ein Potpourri kruder Ideen. Kritiker kommen im Übrigen nicht allesamt aus der Immobilienwirtschaft. So stellen zum Beispiel Banken mit Blick auf langfristige Finanzierungen zu Recht die Frage nach der wirtschaftlichen Solidität der Wohnungsunternehmen und vor allem der vielen Privatvermieter in der Hauptstadt. Werden die Planungen, wie sie derzeit im Raum stehen, umgesetzt, verursacht der Gesetzgeber, dass Berliner Vermieter dauerhaft Verluste erzielen – die kleinen genauso wie die großen.
Es stehen aber nicht nur laufende Finanzierungen auf der Kippe, weil Wohnungseigentümer durch erheblich geringere Mieteinnahmen ihre Kredite möglicherweise nicht mehr bedienen können und weil nach notwendigen Neubewertungen durch die Banken Wohnungen zukünftig vielleicht nur noch die Hälfte wert sein werden. Das Vorhaben Mietendeckel wirft zudem eine folgenschwere, steuerpolitische Frage auf: Wenn man mit der Vermietung von Immobilieneigentum langfristig nicht mehr in der Lage sein kann, Gewinne zu erwirtschaften, trifft dann der Steuertatbestand der sogenannten Liebhaberei zu?
Ohne Gewinnerzielungsabsicht kein Steuerabzug
Was zunächst etwas absurd klingen mag, ist so abwegig jedenfalls nicht. Denn wenn Wohnungsvermieter über Jahre hinweg nicht aus dem Verlustbereich herauskommen, ist es nicht ausgeschlossen, dass Finanzämter auf die Idee kommen, erst einmal das unternehmerische Gewinnerzielungsinteresse in Abrede zu stellen. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Mieteinnahmen sehr gering und nicht kostendeckend sind. Der Berliner Senat plant nun mit dem Berliner Mietendeckel das Einfrieren der Mieten sowie massive Mieterhöhungsbeschränkungen für die kommenden Jahre. Auch wenn der Mietendeckel auf fünf Jahre begrenzt sein soll, wird noch vor seiner Einführung über eine Verlängerung offen spekuliert. So kann sich Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren für den geplanten Mietendeckel vorstellen. Durchsetzen will man darüber hinaus gestaffelte Miethöchstgrenzen mit einer Deckelung von maximal 9,80 Euro pro Quadratmeter. Wer mit heutigen Mietpreisen darüber liegt und mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens an Mietzahlungen zu leisten hat, soll auf Antrag die Miethöhe auf den entsprechenden Deckelungsbetrag absenken können. Damit laufen viele Berliner Vermieter nicht nur Gefahr Umsatzeinbußen hinzunehmen, für viele wird es zu erheblichen Verlusten in den Bilanzen führen. Damit schafft der Gesetzgeber eine Situation, in der die notwendige Gewinnerzielungsabsicht quasi ausgehebelt wird.
Wenn nun die zuständigen Finanzämter zu dem Schluss kommen, dass bei einem Immobilieneigentümer keine Gewinnerzielungsabsicht erkennbar ist, können sie die Wohnraumvermietung als Liebhaberei einstufen. Hinter diesem hübschen Wort verbergen sich steuerrechtlich betrachtet erhebliche, negative Folgen für den betroffenen Vermieter. Denn der Vermieter kann dann die erzielten Verluste aus der Wohnungsvermietung nicht mehr steuerlich geltend machen. Außerdem dürfen Vermietungsverluste in Berlin nicht mehr mit positiven Einkünften aus anderen Geschäftsbereichen verrechnet werden.
Mit anderen Worten: Indem der Berliner Gesetzgeber mit dem Mietendeckel die Gewinnerzielungsabsicht von Vermietern konterkariert, entsteht die Gefahr, dass die Finanzverwaltung geneigt sein könnte, Wohnungsbestände zur Liebhaberei zu erklären, um auf diese Weise den steuerlichen Kostenabzug zu verhindern. Somit wären Immobilieneigentümer in der Hauptstadt doppelt „gekniffen": Es käme vor allem in guten Vermietungslagen nicht nur zu einer massiven Verringerung der Mieteinnahmen, sondern zusätzlich auch noch zu einer steuerlichen Schlechterstellung.
Da Wohnungsunternehmen und private Vermieter als Gewerbetreibende per se an Gewinnen interessiert, auf diese sogar angewiesen sind, fällt es zwar aus einer externen Perspektive betrachtet schwer, ihnen Liebhaberei zu unterstellen – aber ausgeschlossen werden kann dies nicht. Eigentümer von vermieteten Immobilien müssen in Betracht ziehen, dass vom Senat wissentlich ein Zustand hergestellt wird, der gerade die unternehmerische Gewinnerzielungsabsicht auf lange Sicht gefährdet.
Finanzämter sind durchaus findig, wenn es darum geht, neue Steuertatbestände zu schaffen, um drohende Einnahmeausfälle auszugleichen. Ist ein solcher Steuerbescheid mit der Feststellung Liebhaberei erst einmal erlassen, liegt ein gültiger Verwaltungsakt vor, der Eigentümer dazu zwingt, juristische Mittel anzuwenden, um gegen diesen vorzugehen. Das kann nicht nur lange dauern; es verursacht wiederum zusätzliche Kostenaufwendungen für Wohnungseigentümer. Alles in allem ist der Berliner Mietendeckel eine linke „Liebhaberei" mit offenem Ende.
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Erstveröffentlichung: Börse Online vom 19.09.2019