Wohnungsmangel und Klimaschutz – die Immobiliencouch Berlin war geprägt von leidenschaftlichen Diskussionen
Berlin hat sich hehre Ziele gesetzt: Bis 2030 möchte die Stadt klimaneutral werden – eine große Herausforderung auch für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Zugleich wird Berlin Opfer des eigenen Erfolgs: In den vergangenen zehn Jahren stieg die Einwohnerzahl um rund 350.000 Menschen. Die Flüchtlingswelle aus der Ukraine führt zu weiteren Wachstumsschüben und -schmerzen.
Anlass genug für die Immobiliencouch, zu beiden miteinander verschränkten Themenfeldern Politik und Wirtschaft, ins Gespräch zu bringen. Auf der Couch nahmen Platz: Saidah Bojens, Niederlassungsleiterin Berlin des Projektentwicklers Instone Real Estate, Bernd Duda, Leiter der Berliner Geschäftsstelle der Berlin Hyp, Kevin Hönicke, Baustadtrat von Berlin-Lichtenberg, sowie Ulrich Schiller, Geschäftsführer der landeseigenen Wohnungsgesellschaft HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft. Die Immobiliencouch ist ein auf kontroverse Debatten an der Schnittstelle von Politik und Immobilienbranche ausgelegtes Veranstaltungsformat von Sevgi Communications und RUECKERCONSULT.
Und kontrovers wurde es im urigen Ambiente von Old Smithy´s Dizzle im Boxhagener Kiez. Kevin Hönicke ist einer der wenigen Politiker in der Hauptstadt, die sich offen für mehr Wohnungsneubau einsetzen. Entsprechend stark fällt der Gegenwind aus, von dem er berichten konnte. Es gebe kaum noch Neubauprojekte, gegen die sich nicht eine Bürgerinitiative bilde. Die Politik reagiere dabei leider vor allem auf die Bürgerinnen und Bürger, die bereits eine Wohnung haben, während die vielen Wohnungssuchenden ungehört blieben. Sein Vorschlag, bislang eher vom sozialen Wohnungsbau geprägte Quartiere durch die Genehmigung von Eigentumswohnungen stärker sozial zu durchmischen, blieb allerdings nicht ohne Widerspruch.
Saidah Bojens berichtete von nachhaltig konzipierten Neubauprojekten. Angesichts der durch gestiegene Zinsen und Baukosten verursachten Mehrkosten forderte sie deutlich schnellere Bearbeitungszeiten von Planungsvorgängen durch die Behörden und eine Vereinfachung der den Neubau regulierenden Vorgaben. Klimaschutz müsse so gestaltet sein, dass die Warmmiete dabei für die Nutzer gleichbleiben.
Bernd Duda plädierte für dauerhaftes Engagement für den Klimaschutz „gerade jetzt“. Sein Institut gilt mit Green Bonds und anderen nachhaltigen Finanzprodukten als ökologischer Vorreiter unter den Immobilienfinanzierern. Er bedauerte, dass die Politik die nun beendete Nullzinsphase nicht für mehr Wohnungsbau genutzt habe. Trotz alledem sei Berlin im Vergleich zu anderen Metropolen immer noch günstig.
Dem pflichtete Ulrich Schiller von der HOWOGE bei. Die Stadt müsse angesichts der zahlreichen gutverdienenden Haushalte aufhören, sich als arm darzustellen und zu empfinden. Klimaschutz und günstige Mieten schließen sich nicht aus, sagte Schiller. Energie könne seine Gesellschaft den Mietern günstiger zur Verfügung stellen als es die großen Energieversorger tun. Haupthindernis dabei seien die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Ein einfaches Rezept gegen den Fast-Kollaps beim Berliner Wohnungsneubau fand die Runde nicht, dafür viele mögliche Zutaten. Zu denen gehörten neben der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und der Lichtung des Vorschriften-Dschungels auch die mögliche Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe sowie der Abbau des Genehmigungsüberhanges- immerhin werden in Berlin derzeit 60.000 genehmigte Wohnungen nicht gebaut.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von RUECKERCONSULT GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2023