Strategien zur Werterhaltung und Kapitalrückführung für Banken
Eine Krise mit historischem Charakter – Warum diesmal alles anders ist
Spätestens Mitte 2022 war klar, dass der langjährige Immobilienboom abrupt endet. Über ein Jahrzehnt waren viele Deals selbstverständlich – wer finanzieren konnte, kaufte, entwickelte und verkaufte. Mit steigenden Zinsen und sich verändernden Märkten kam die Zäsur. Doch anders als frühere Krisen ist dies kein üblicher Zykluswechsel. Es ist eine Systemkrise, in der wirtschaftliche, politische und demografische Entwicklungen gleichzeitig auf die Immobilienbranche einwirken.
Frühere Krisen wie die Dotcom-Blase oder die Finanzkrise waren sektoral begrenzt und marktmechanisch überwindbar. Heute erschweren strukturelle Verwerfungen eine schnelle Erholung. Fachkräftemangel, demografischer Wandel und sinkendes Bildungsniveau belasten die Wirtschaft. Gleichzeitig verliert die Industrie durch Bürokratie und politische Weichenstellungen ihre Wettbewerbsfähigkeit, Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland oder drosseln Investitionen.
Auch der Immobiliensektor hat sich grundlegend verändert. Hohe Finanzierungskosten und striktere Bankenregulatorik bremsen Transaktionen, während Homeoffice-Trends und ESG-Anforderungen Büroimmobilien unter Druck setzen. Steigende Baukosten, regulatorische Unsicherheiten und fehlende Investitionsanreize verhindern eine schnelle Erholung.
Der Markt erlebt keine vorübergehende Krise, sondern eine tiefgreifende strukturelle Verschiebung, die neue Strategien erfordert.
Frühzeitige Maßnahmen statt verzögerter Reaktion
Viele warten auf eine Marktbelebung und prüfen Finanzierungen zu spät – ein folgenschwerer Fehler. Je länger eine Restrukturierung hinausgezögert wird, desto geringer sind die Chancen auf eine tragfähige Lösung und maximale Rückführung. In vielen Ländern beschleunigen schnelle Abwertungen die Marktbereinigung, während in Deutschland langwierige Bewertungsprozesse problematische Finanzierungen oft künstlich stabilisieren. Was früher funktionierte, führt heute meist zu weiterem Wertverlust und erschwert eine geordnete Sanierung.
Die entscheidende Frage lautet: Wie können Banken in diesem Umfeld mit ihren notleidenden Immobilienfinanzierungen umgehen, um kapitale Verluste zu minimieren?
Workout-Strategien für notleidende Kredite – Wie Banken aus der NPL-Falle kommen
Der schnelle Verkauf notleidender Projektentwicklungen an Investoren mag kurzfristig als Schadensbegrenzung erscheinen. Doch diese Strategie ignoriert, dass viele Problemimmobilien durch intelligente Restrukturierung deutlich höhere Kapitalrückflüsse erzielen könnten.
Die Erfahrung bei Projektentwicklungen zeigt, dass durch strukturierte Workout-Prozesse Rückführungsquoten von 50–90 % möglich sind – während ein Schnellverkauf oft nur 30–40 % des Nominalwerts realisiert.
Drei Phasen der Restrukturierung
Ein erfolgreicher Workout-Prozess beginnt mit einer umfassenden Bestandsaufnahme, die immobilienwirtschaftliche Tragfähigkeit, bautechnische Herausforderungen und baurechtliche Anforderungen bewertet. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Immobilienökonomen, Bauingenieuren und Juristen bildet die Grundlage fundierter Entscheidungen. Im Ergebnis wird herausgearbeitet, welches marktgängiges Produkt mit welchen Kosten zu wann auf den Markt gebracht werden kann.
Auf die Analyse folgt die Anpassung von Kapitalstruktur und Nutzungskonzeption. So können beispielsweise Büroimmobilien in Wohn- oder Mixed-Use-Projekte umgewandelt und Einzelhandelsflächen für Logistik oder Gesundheitsnutzungen neu positioniert werden.
Die Umsetzung als dritte Phase erfordert die stringente Durchsetzung der projektspezifischen Projektorganisation und Projektstrategie, um Werte zu sichern und nachhaltige Lösungen zu fördern.
Die Mediation zwischen Stakeholdern schafft Verhandlungsspielräume, erleichtert Preisnachverhandlungen und ermöglicht tragfähige Eigentümerwechsel. Externe Sanierungsexperten, Treuhänder oder CROs können operative und prüfende Funktionen übernehmen, um Risiken zu minimieren und den Restrukturierungsprozess bis zur Fertigstellung und Liquidation effizient zu steuern. Gleichzeitig sorgt strukturiertes Stakeholder-Management dafür, dass die Projektexpertise des Sponsors erhalten bleibt und zur erfolgreichen Umsetzung beiträgt.
Warum Workout-Abteilungen die strategische Kontrolle behalten sollten
Workout-Abteilungen sollten sich nicht nur als Schadensmanager sehen, sondern als strategische Wertretter, die durch kluge Restrukturierung Verluste begrenzen. Die Immobilienmärkte befinden sich im Wandel, aber Banken können diesen aktiv mitgestalten. Eine strukturierte, faktenbasierte Workout-Strategie, die über das Einzelprojekt hinaus auch die veränderten Marktbedingungen berücksichtigt, ist der Schlüssel zum Erfolg.
Wer in dieser Lage nicht nur reagiert, sondern gezielt steuert und agiert, minimiert nicht nur Verluste, sondern trägt auch zur langfristigen Stabilität des Marktes bei.
Fazit
Entscheidend scheint also, dass sich die Marktteilnehmer bewusst werden, dass sie am Ende des Tages doch alle in einem Boot sitzen – mit wem soll man Geschäfte machen, wenn es keine Geschäftspartner mehr gibt?
Insoweit ist das Gebot der Stunde, die Dinge gemeinsam in die Hand zu nehmen. Zusammen und in der Kooperation entstehen das Bewusstsein und die Kraft, um der Immobilienbranche wieder zu neuen Höhen zu verhelfen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Drees & Sommer
Erstveröffentlichung: TPP, März 2025