Refurbishments gewinnen an Bedeutung
Das Geschäft mit der Entwicklung von Bestandsimmobilien gewinnt an Bedeutung. Doch vieles gilt es dabei zu beachten, damit das Unterfangen ein wirtschaftlicher Erfolg wird. Wenn die Mieten sinken, die Margen nicht zu halten sind oder gar die Gewinne ausbleiben, stoßen Immobilien an ihre Grenzen und müssen überholt werden. Veraltete Technik, ungenügende Energie- und Flächeneffizienz sowie fehlende Flexibilität lassen immer häufiger die Frage aufkommen, ob Runderneuerung oder doch Abriss und Neubau.
Einzigartigkeit steht am Anfang
Was aber muss eine Immobilie mitbringen, damit sich ein Refurbishment lohnt? Gebäude, die sich ortsbildprägend in ihre Nachbarschaft einfügen, aber auch prominente Einzellagen oder gar denkmalpflegerische Vorgaben als so genannte USPs können den Impuls für eine Bestandsentwicklung geben. Allerdings kann der Denkmalschutz gleichzeitig Fluch und Segen sein. Fluch, weil er mit strengen Auflagen für Gestaltung sowie spätere Nutzung die Möglichkeiten einengt. Segen, weil ein historisches und entsprechend repräsentatives Gebäude bei einer ausgewählten Klientel sehr gute Vermarktungschancen haben kann. Bei allem Charme, den ein solcher Altbau hat – Mieter werden deswegen niemals Kompromisse bei Technik und Ausstattung hinnehmen. Das muss im Übrigen als Maxime für jedes Refurbishment gelten.
Auch die inneren Werte zählen
Sind architektonischer sowie städtebaulicher Wert vielversprechend, die Lage und die Nachfrage am Markt verheißungsvoll, ist schon viel gewonnen. Entscheidend jedoch ist die vorhandene Güte. Die Bausubstanz muss in jedem Fall eine Restnutzungsdauer rechtfertigen. Beton- und Baustoffqualität sollten heutigen Ansprüchen genügen. Kritische Größen sind Raumtiefen und -höhen. Bei einer lichten Höhe von 2,50 Meter beispielsweise ist die Immobilie als Bürogebäude praktisch nicht mehr zu vermieten. Und selbst bei 2,80 Meter, wie in Nordrhein-Westfalen beispielsweise vorgeschrieben, wird es schwierig, da Doppel- oder Hohlraumböden die Höhe noch mehr verringern. Des Weiteren können Höhenunterschiede auf einer Etage durchaus vorkommen. Bei zu viel Tiefe bleiben große Bereiche ohne natürliche Belichtung. Doch können hier unter Umständen Einschnitte helfen, mehr Tageslicht hereinzulassen und das Angebot an fensterorientierten Arbeitsplätzen zu vergrößern. Raster, Flächenzuschnitt, Raumstrukturen sowie Erschließung müssen auf eine neue Grundrissflexibilität hin verändert werden können. Tragende Wände stehen dafür schon mal sprichwörtlich im Weg. Nicht unbedingt jedes vermeintliche Regelgeschoss gleicht dem anderen. Für eine Begutachtung muss also Stockwerk für Stockwerk und Raum für Raum vorgegangen werden
Die Liste der Anforderungen ist lang
Die Flächenlasten und damit die Statik sollten den heutigen Anforderungen entsprechend ausgelegt werden können. Die Tragfähigkeit muss für die geplante neue Nutzung reichen. Darüber hinaus beeinflussen Verbesserungsmaßnahmen für den meist ungenügenden Schallschutz sowie der fast immer notwendige Einbau neuer Lüftungsanlagen die Belastung der Tragkonstruktion. Sind erhebliche Schadstoffprobleme vorhanden, liegen wesentliche Mängel bei der Bauphysik oder dem Brandschutz vor, sind Anlagen sowie Bauteile über die Maßen veraltet, ist ein Rückbau bis auf den Kern meist nicht zu vermeiden. Dabei ist genauso bestimmend, inwieweit an der Baustruktur gearbeitet werden kann. Heutige Brandschutzvorschriften können ein zusätzliches Treppenhaus erforderlich machen. Tragende Fassaden lassen kaum Veränderungen zu, ohne die Grundelemente zu zerstören – zudem ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf Veränderungen, um den sommerlichen Wärmeschutz und die EnEV-Werte einhalten zu könne
Vorhandenes sichert Vorteile
Bestandsschutz für die bestehende Konstruktion und derzeitige Nutzung ist ein weiteres Argument, sich an ein Refurbishment heranzutrauen. Gebäudehöhen und Geschossflächenzahl sind festgeschrieben. Der Anspruch aber darauf, ein neues Haus in gleicher Größenordnung zu errichten, geht mit einem Abriss vorwiegend verloren. Der Grad der Ausnutzung sinkt. Unter anderem daraus aber generiert der Projektentwickler sein Geschäft. Das Wissen um eine bereits baurechtlich abgesicherte Nutzungsart lässt gleichfalls die Entscheidung für eine Bestandsentwicklung leichter fallen. Und nicht erst zu guter Letzt kann das leidige Thema „Parkplätze“ den Ausschlag geben. Eine Tiefgarage ist von großem Vorteil, da sich viele Kommunen heute sehr viel restriktiver bei der Genehmigung von Stellplätzen vor allem in der Innenstadt zeigen.
Frei nach der Parodie „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Bess‘res findet“ ist bei einer Entscheidung für oder gegen eine umfassende Bestandsentwicklung eine intensive Prüfung im Vorfeld angesichts möglicher Widrigkeiten unumgänglich. Denn am Ende muss das Refurbishment im Vergleich zu einem Neubau in der Gesamtbetrachtung das Bessere sein. Dennoch ist auch die beste Vorabanalyse keine Garantie gegen unangenehme Überraschungen. Jedes Projekt ist ein Einzelfall und birgt andere Unwägbarkeiten. Für Unvorhergesehenes und zeitliche Verzögerungen muss daher ein deutlich höherer finanzieller sowie zeitlicher Puffer eingeplant werden als bei einer herkömmlichen Entwicklung. Insofern ist es immer ein neues Abenteuer, für das der Projektentwickler jedes Mal eine gehörige Portion Mut, Kreativität sowie einen Plan B benötigt.
Geschäftsfeld wächst mit seinen Perspektiven
Trotz aller Risiken ist das Refurbishment zu einem ebenso interessanten wie lukrativen Betätigungsfeld herangereift. Das belegt überdies eine Untersuchung aus dem eigenen Hause: An den sieben größten deutschen Immobilienstandorten wurden im Jahr 2014 insgesamt 730.000 Quadratmeter Geschossfläche einer Rundumerneuerung unterzogen oder waren bereits dafür vorgesehen. Wohl so viel wie noch nie zuvor. Die zunehmende Verdichtung gepaart mit den derweil geschlossenen Baulücken wird ihr Übriges dazu tun, dass die Bedeutung des Entwicklergeschäfts mit „alten“ Häusern weiter wächst. Die finanzierenden Banken haben dies ebenfalls erkannt. Viele betrachten diese Tätigkeit mittlerweile als ein eigenständiges Marktsegment mit überdurchschnittlichem Potenzial insbesondere bei Büro- und Einzelhandelsimmobilien. Manches Institut gar stellt bereits bis zu 30 Prozent seiner Immobilienfinanzierungsmittel für Bestandsentwicklung zur Verfügung. Ferner haben einige private Kapitalanleger, die ihr Geld in Premium- Immobilien anlegen möchten, das Segment für sich entdeckt und sich dafür zwischenzeitlich mit einem Entwickler als Dienstleister verstärkt. Dennoch wird das Refurbishment auch in Zukunft das Marktgeschehen nicht wirklich dominieren können. Häufiger nämlich wird es landauf landab mangels Qualität oder Eignung heißen müssen: Abriss und Neubau.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von HOCHTIEF Projektentwicklung GmbH
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/2015