01.04.2021

Attraktives Investment: Venture Capital

Europäischer Markt für Immobilien-Startups mit kontinuierlichem Wachstum

Marko Broschinski, Geschäftsführer, easol GmbH
Nikolas Samios, Geschäftsführer, PropTech1 Ventures
Marko Broschinski

Die europäische Immobilienwirtschaft befindet sich – mit Verzögerung gegenüber anderen Branchen – mitten in der digitalen Transformation. Dies gibt Raum für spezialisierte Startups, die mit innovativen digitalen Lösungen im Geschäfts- und Privatkundenbereich auf den Markt strömen. Ihre Zahl steigt, die institutionellen Finanzierungsvolumina wachsen und hierzulande mischt auch der Staat als aktiver Investor immer kräftiger mit. So entwickelt sich Venture Capital im Immobiliensegment angesichts des aktuellen Anlagenotstands zu einer immer bedeutsameren Investmentalternative.

Wenngleich sich der europäische Markt für PropTechs gegenüber seinem US-Pendant noch in einer früheren Phase befindet bzw. Unternehmensbewertungen bislang konservativer ausfallen, lässt sich in den vergangenen Jahren ein erheblich gestiegenes Interesse institutioneller Investoren verzeichnen. So wuchs das kumulierte Anlagevolumen von rund 80 Millionen Euro im Jahr 2014 auf aktuell weit über 500 Millionen. Parallel dazu stieg die Zahl der PropTechs in ganz Europa laut Angaben des Marktanalysten Unissu auf derzeit rund 3.500. Sowohl die Standorte der Anbieter wie auch der Investoren konzentrieren sich auf wenige Staaten, die allesamt in Westeuropa liegen. Der osteuropäische Markt für Immobilien-Startups spielt aktuell bis auf punktuelle Ausnahmen noch keine Rolle.

Großbritannien steht sowohl auf Anbieter- wie auch auf der Investorenseite an der europäischen Spitze. Rund 900 PropTechs bieten derzeit ihre Dienste im Vereinigten Königreich an. Der britische Digitalmarkt weist schon historisch gesehen durch die höhere Risikobereitschaft und Diversität des Anlegerspektrums beträchtlich höhere Investitionsvolumina aus. Das gesamte aktuelle Venture Capital-Volumen liegt branchenübergreifend bei derzeit rund fünf Milliarden Euro. Auf Platz zwei des europäischen PropTech-Markts rangiert Frankreich mit rund 600 Anbietern und einem ungefähr gleich großen Investitionsvolumen wie in Deutschland. Präsident Macron hat mit seinem Fokus auf die Digitalwirtschaft in den vergangenen Jahren günstige Rahmenbedingungen für ein weiteres Marktwachstum geschaffen. Bis Jahresende 2020 sammelte die französische Regierung rund vier Milliarden Euro institutionelle Gelder für Startup-Investments ein und schoss noch zwei Milliarden öffentliche Gelder dazu. Hinzu kommen ein vereinfachter Visumserwerb für außereuropäische Startup-Angestellte und eine reduzierte Besteuerung von Aktienanteilen für Mitarbeiter. Mittlerweile fungiert Paris als Vorbild für Berlin: Hierzulande kommen die Maßnahmen zur Startup-Förderung schleppend voran, wobei Zuschüsse von bis zu 20 Prozent für Wagniskapitalgeber und die wachsenden KfW-Beteiligungen an Startup-Investmentvehikeln wie dem 2005 initiierten Hightech-Gründerfonds Rechtssicherheit schaffen und somit die Investitionsbereitschaft fördern.

Wenn schon Staatsgelder in risikoreiche Startup-Fonds fließen, wird klar: Compliance-Regeln und Venture Capital stellen kein Gegensatzpaar dar. Ebenso wenig darf Risikoaversion nicht das höchste Anlagegebot sein. Denn angesichts des aktuellen institutionellen Anlagenotstands sind im Venture Capital-Segment auskömmliche Renditen zu finden. Dem PropTech-fokussierten Investor PropTech1 Ventures ist es beispielsweise gelungen, mit der Zahnärzte-Versorgungskammer Schleswig-Holstein einen institutionellen Investor zu gewinnen. Zu den führenden PropTech-Investoren in Deutschland zählen zudem traditionelle Großunternehmen wie der Bau- und Immobilienkonzern Zech Group oder der Klimatechnik-Anbieter Viessmann.

Der PropTech-Markt konsolidiert sich aktuell in Richtung strategischer Kooperationen zugunsten von Digitalplattformen, die miteinander kompatible Lösungen umfassen. Rund 60 Prozent der europäischen PropTechs sind in der durch die höhere Endkundenzahl digital affineren Wohnungswirtschaft aktiv, gefolgt vom Gewerbeimmobiliensektor mit knapp 40 Prozent. Es sind steigende institutionelle Investitionsvolumina zu erwarten, da die gesetzlichen ESG-Offenlegungspflichten eine bessere, nur digital darstellbare Datenübersicht verlangen. Dies wiederum kann zu einer höheren Anbietervielfalt und Produktqualität führen. Die PropTechs positionieren sich dabei mit sprachlich neutralen oder aus dem Englischen stammenden Unternehmensnahmen zunehmend im gesamteuropäischen Rahmen, was die Screening-Möglichkeiten für Innovationen erheblich verbessert.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von easol / PropTech1 Ventures
Erstveröffentlichung: Institutional Money online, März 2021

Konversation wird geladen