Von der antiquierten Legebatterie hin zum modernen Mikrokosmos
Flexibilität und räumliche wie zeitliche Unabhängigkeit prägen heute die Büroarbeit. Die Qualitätsanforderungen an Büroräume haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Gefragt sind Büros, die anstelle der bloßen funktional geeigneten Fläche auch Raum für Motivation, Kreativität und Austausch bieten. Rund die Hälfte aller Büroflächen sind älter als 20 Jahre und erfüllen diese Anforderungen nicht mehr ausreichend. Sie bieten Wertsteigerungspotentiale, die durch Refurbishments gehoben werden können.
Der Büroflächenmangel in den Top-7-Standorten ist nach wie vor akut. In Berlin hat der Leerstand 2017 ein Rekordtief von 2,1 Prozent erreicht, in den nächstgrößeren sechs Städten lag er bei durchschnittlich 4,1 Prozent. Gleichzeitig sind die Büromieten gestiegen. Nach Marktberichten verschiedener Investoren und Makler verteuerten sie sich zwischen 2006 und 2017 in Berlin um 60 Prozent und in den anderen großen Städten um 25 Prozent. Tendenz aufgrund anhaltend hoher Nachfrage weiter steigend.
Der Büroflächenmangel besteht nicht nur in quantitativer Hinsicht, auch bei der Qualität gibt es zunehmend Engpässe. Mittlerweile ist gut die Hälfte des Bürobestandes in die Jahre gekommen. Je nach Stadt wurden 42 bis 49 Prozent der Bürogebäude zwischen 1970 und 2000 errichtet. Sie stammen aus einer Zeit, in der die Zusammenarbeit vor allem effizienzorientiert, hoch arbeitsteilig und hierarchisch organisiert war. Zwischen Arbeiten und Leben wurde strikt getrennt. Heute verschwimmt diese Grenze zunehmend im Zuge der Digitalisierung und intensiven Nutzung neuer Kommunikationstechnologien. Effektivität, Kreativität und Flexibilität haben in der Zusammenarbeit einen neuen Stellenwert erhalten.
Büros werden heute dementsprechend anders genutzt als noch vor 30 Jahren, als ein Großteil des heutigen Bestandes gebaut wurde. Ruhige Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten sind ebenso wichtig wie offene Flächen für die Interaktion mit den Kollegen. Moderne Bürokonzepte ermöglichen eine entsprechend gemischte, flexible Nutzung der Flächen. Sie bieten sowohl innerhalb des Gebäudes als auch in Bezug zur räumlichen Umgebung, in die dieses eingebettet ist, einen quasi-urbanen Mikrokosmos. Hier können die Mitarbeiter auf kurzen Wegen ihre arbeits- aber auch freizeitbezogenen Bedürfnisse befriedigen.
Unternehmen, die auf hoch qualifizierte Mitarbeiter angewiesen sind, können sich bei der Mitarbeiterrekrutierung deutlich von ihren Wettbewerbern absetzen, wenn sie entsprechend attraktive Arbeitsstätten anbieten können. Das gilt vor allem für Young Professionals der Generation Y, für die immaterielle Güter einen höheren Stellenwert haben als für die älteren Generationen, die noch in Zeiten größerer Knappheit aufgewachsen sind. In einer unattraktiven Büro-Legebatterie arbeiten zu müssen anstatt in einer Umgebung, in der Arbeiten und Leben miteinander verschmelzen, lässt sich bei vielen Vertretern der Generation Y nicht einmal mehr mit hohen Aufschlägen beim Gehalt ausgleichen.
Je weiter der Generationenwechsel voranschreitet, desto stärker kommen Vermietbarkeit und Wert älterer Bürobestände unter Druck. Zu den typischen Problemen auf der Gebäudeebene zählen eine marode Bausubstanz, Renovierungs- und Modernisierungsstaus, zu hohe Betriebs- und Nebenkosten, mangelnde Nachhaltigkeit, nicht mehr zeitgemäße Grundrisse und Raumaufteilungen sowie ungenutzte Ausbau- und Erweiterungsmöglichkeiten. Hinzu kommen meist Probleme auf der Vermietungsseite: Ein ungünstiger Mietermix, die Vermietung zu Preisen, die signifikant unterhalb der erzielbaren Marktmieten liegen, kurze Mietvertragsrestlaufzeiten, Leerstände, uneinheitliche intransparente Mietverträge, ein negatives Image und mangelnde Repräsentativität.
Die Büroräume einfach nur mit schnellen Datenleitungen zu versehen und sicherzustellen, dass der WLAN-Empfang überall gegeben ist, reicht also bei weitem nicht aus. Meist ist ein umfangreiches Maßnahmenpaket erforderlich, um eine veraltete Büroimmobilie zu revitalisieren und ihren Ertrag und Wert wieder auf ein marktgerechtes Niveau zu heben. Die Ertragsseite lässt sich durch Mietvertragsverlängerungen, neue Vertragsabschlüsse und Reduzierung des Leerstandes stabilisieren. Die Betriebskosten können Hand in Hand mit der Beseitigung von Renovierungs- und Modernisierungsstaus gesenkt werden. Alte überkommene Grundrisse weichen modernen und technisch flexiblen Raumaufteilungskonzepten. In manchen Fällen lohnt sich die Umwidmung der Flächen von einer einseitigen Büronutzung hin zu einer Mischnutzung aus Büros, Gewerbe und Wohnen. Imageprobleme lassen sich durch Umbaumaßnahmen und Neupositionierung des Bürogebäudes beseitigen. Je nach Lage und Potential können die Kosten des Maßnahmenpakets den Kaufpreis des Gebäudes übersteigen und trotzdem wirtschaftlich sinnvoll sein.
Bürogebäude, die eine solche Rosskur durchlaufen haben, bieten anschließend einen erheblichen Mehrwert. Der Mieter wird für die hochwertigeren Räume mit zufriedeneren Mitarbeitern und einer besseren Ausgangsposition im Wettbewerb um die besten Fachkräfte belohnt. Dafür ist dieser gerne bereit eine Prämie zu bezahlen und somit profitiert am Ende auch der Eigentümer – durch höhere Mieteinnahmen, weniger Leerstand und einen nachhaltigeren Gebäudewert. Im Ergebnis gewinnen beide Seiten.
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Erstveröffentlichung: FAZ, März 2018