11.10.2017

Angelsächsische Baumodelle

Neue Vielfalt für deutsche Projektentwickler

Thorsten Krauß, CEO, UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft
Thorsten Krauß

In Deutschland wird die überwiegende Mehrheit der Bauprojekte immer noch nach dem klassischen Vergabemodell Planung - Ausschreibung - Ausführung realisiert. Dabei gibt es keine zwingenden Gründe, die diese strikte Trennung rechtfertigen. Vielmehr erscheint es sinnvoll, der zunehmenden Komplexität von Bauprojekten mit individuellen Formen der Projektabwicklung zu begegnen. In angelsächsischen Gebieten, insbesondere den USA, besteht eine Vielfalt von Bauprozessmodellen, die Lösungsansätze für die häufig konfliktträchtige Baukultur in Deutschland bergen. Denn ein Großteil dieser Modelle beruht auf dem Grundsatz des partnerschaftlichen Bauens und sieht die frühzeitige Zusammenführung aller Projektbeteiligten vor.

Jedes Bauprojekt ist einzigartig und hat verschiedene Grade der Vorplanung als Ausgangspunkt. In vereinfachter Form sind es fünf Faktoren, die die Auswahl des geeigneten Vergabemodells bestimmen: An erster Stelle stehen die Art und der Umfang der Bauleistung. Mit zunehmender Komplexität der Projektentwicklung steigt die Anzahl der Gewerke. Davon abhängig ist an zweiter Stelle das Aufgabenspektrum der Projektparteien. Dies betrifft die delegierbaren Aufgaben des Bauherrn, die Zuständigkeit über die verschiedenen Planungsphasen und das Zusammenspiel zwischen Planern und ausführenden Unternehmen. An dritter Stelle steht der Detaillierungsgrad der Leistungsverzeichnisse. Je höher er ausfällt, desto präziser ist die Ausschreibungsbewerbung auf ausführender Seite nach einem Abgleich mit dem eigenen Leistungsportfolio.

Ein vierter Punkt ist der Planungsstand, da je nach Fortschritt gewisse Vergabemodelle bereits schwer umsetzbar oder gar auszuschließen sind. Für den deutschen Markt spielt an fünfter Stelle die Eigenheit des Auftraggebers eine entscheidende Rolle, da die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) für die Öffentliche Hand weiterhin eine Vergabe mit getrennter Planung und Ausführung als Regel vorsieht. Die VOB/A ist trotz ihrer fehlenden Rechtsverbindlichkeit für private Auftraggeber de facto dennoch die maßgebliche Orientierung auch für sämtliche Baumaßnahmen.

Im klassischen Modell mit einer Vergabe getrennter Fachlose liegt ein Akteursdreieck aus Bauherrn, Planern und ausführenden Unternehmen vor. Dem Bauherrn obliegt neben der Definition der Projektziele die Verantwortung für die Planung und die Projektleitung. Die Koordination der Gewerke im Rahmen der Projektsteuerung kann er entweder selbst übernehmen oder delegieren. Es steigt angesichts der zunehmenden Komplexität der Bauprojekte in technischer, ökologischer und finanzieller Hinsicht die Tendenz zum Delegieren von Bauherrenaufgaben.

Bauprozessmodelle in den USA

Die erwähnte in Deutschland übliche Akteurskonstellation erfährt in den Vereinigten Staaten zwei Ergänzungen. Baumanagementunternehmen (General Contractor), dem deutschen Generalübernehmer vergleichbar, sind in den USA durch die verstärkte Delegierung von Bauherrenaufgaben geläufiger. Planer (Architect-Engineer) übernehmen in der Regel alle Planungsphasen, fungieren gegenüber den ausführenden Unternehmen als Bauherrenvertreter und haben ein Mitspracherecht bei der Vergabe.

Die in Deutschland übliche Einzelvergabe entspricht dem US-Modell Design – Bid – Build. Sein Anteil am US-Markt sank einer repräsentativen Erhebung des unabhängigen Design and Build Institute of America (DBIA) zufolge von 2005 bis 2013 von 68 auf 51 Prozent in allen Bausegmenten (mit Ausnahme von Wohnimmobilien). Dies hängt unter anderem mit der in 25 US-Bundesstaaten etablierten Vertragsfreiheit für die Öffentliche Hand zusammen, die seit 2005 in immer mehr Bundesstaaten alternative Vergabemodelle anwenden darf. Darüber hinaus sorgte die reine Orientierung am niedrigsten Preis in diesem Modell für wettbewerbsverzerrende Dumpingpreise. Die Folge war, dass sich viele Akteure in der größtenteils mittelständisch geprägten US-Bauindustrie nicht mehr auf dem Markt halten konnten.

Alternativen des partnerschaftlichen Bauens

Parallel zu dieser Entwicklung stieg der Anteil der Projekte nach Design – Build auf 39 Prozent unter eine Million vom DBIA untersuchten US-Bauprojekten. Hierbei erfolgen Planung und Ausführung aus einer Hand, der Auftragnehmer ist entweder ein einzelnes Bauunternehmen mit Planungskompetenz oder ein Joint Venture aus Baufirma und Planungsbüro. Es besteht beim zentralen Auftragnehmer vollumfängliche Vertragsfreiheit für die Beauftragung von Subunternehmern. Die zunehmende Nachfrage ergibt sich einerseits aus der wachsenden Komplexität der Bauprojekte, andererseits aus der Zeitersparnis als Wettbewerbsvorteil. Durch den Wegfall der zweiten Ausschreibungsphase und der Schnittstellenproblematik zwischen Planern und Ausführenden ermittelte eine Studie der University of Pennsylvania eine durchschnittliche Beschleunigung der Projektübergabe im Vergleich zu Design – Bid – Build von rund 34 Prozent.

Die dritte US-Variante ist das Construction Management, in der Regel definiert als Construction Management at Risk. Dieses Prozessmodell entstand in den 1970er Jahren und weist aktuell einen Marktanteil von rund zehn Prozent auf. Es entsprang einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis des Bauherren, der die Haftung größtenteils dem ausführenden Bauunternehmen überträgt, der dafür die Koordinierung von Planung und Ausführung übernimmt. Diese Variante wahrt die Unabhängigkeit der Planer, zugleich gibt es frühzeitige Wechselwirkungen zwischen planenden und ausführenden Projektparteien. Gerade die frühzeitige Einbeziehung der ausführenden Unternehmen, verbunden mit klaren Vorgaben des vergleichsweise zurückhaltend agierenden Bauherrn, bildet das Fundament partnerschaftlichen Bauens. Es dient dem Ziel, durch eine zentrale Koordinierungsinstanz Konflikte zwischen den Projektbeteiligten zu minimieren und Nachträge zu reduzieren.

Wenn der Bauherr außer den Zielvorgaben sämtliche Projektmanagementaufgaben an einen zentralen Auftragnehmer überträgt, liegt das Modell Design – Manage vor. Der Auftragnehmer ist dabei in der Regel ein Joint Venture aus Architektur- und Planungsbüro sowie dem ausführenden Bauunternehmen. Im Bridging übernimmt der Planer (Architect–Engineer) vom ausführenden Unternehmen auch die Ausführungsplanung. Erfolgt die Übergabe eines vollständig schlüsselfertigen Gebäudes ohne Zielvorgaben des Bauherrn, spricht man von Turnkey, ein größtenteils bei Wohnimmobilien verwendetes Vergabemodell.

Variantenreichtum bei Kompensationsmodellen

Der in Deutschland vorherrschende Einheitspreisvertrag, also die Auflistung nach Teilleistungen in Form von Einzelpositionen aus dem Leistungsverzeichnis, kontrastiert mit den in den USA geläufigen pauschalen Abrechnungsmodellen. Zugleich spiegeln die Kompensationsvarianten die Idee des partnerschaftlichen Bauens wider, da in vielen Fällen eine anteilige Gewinn- bzw. Verlustrechnung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erfolgt.

Im Modell Cost plus Fee übernimmt der Auftraggeber alle direkten Baukosten des Auftragnehmers (Lohn, Geräte, Baustoffe) und zahlt zuzüglich eine Aufwandspauschale. Hierfür bedarf es einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, entsprechend ist diese Vertragsvariante häufig mit Design – Build verknüpft. Beim Lump Sum Contract trägt der Auftragnehmer nach vorab vereinbarten Pauschalsummen das Kostenrisiko. Gewöhnlich impliziert diese Kompensation Anreize für den Auftragnehmer in Form von Bonuszahlungen bei Übererfüllung von Kosten- und Zeitplänen. Erfolgt die Festlegung der Pauschalsumme nach den Preisen einzelner Gewerke ohne Mengenangaben, ist von einem Unit Price Contract die Rede.

Der Garantierte Maximalpreis (GMP) ist ein genuin angelsächsisches Abrechnungsmodell, das kein Pendant in deutschen Rechtsordnungen hat. Es handelt sich um eine Variante des Cost plus Fee ohne Kostenrisiko für den Auftraggeber. Umso mehr bedingt es eine Kooperation von Projektbeginn an: Denn neben den einzelnen Prozessetappen wird eine Maximalsumme für das gesamte Projekt inklusive Sondervergütungen für den Auftragnehmer definiert. Wie im partnerschaftlichen Bauen üblich, legt der zentrale Auftragnehmer die Kosten für Subunternehmerleistungen transparent offen (Open Books). Risikomargen schützen den Auftragnehmer; werden sie nicht beansprucht, behält der Auftraggeber die zusätzlich einkalkulierten Summen ein. Im Gegenzug trägt der Auftragnehmer die Verantwortung für eine Überschreitung des GMP. Da nicht vorgesehene Komplikationen die Projektkosten in die Höhe schrauben können, ist auch der GMP in der Regel anpassbar.

Empfehlungen für den deutschen Markt

Durch die mittelständisch geprägte Struktur der deutschen und US-amerikanischen Bauwirtschaft empfehlen sich in den Vereinigten Staaten etablierte Modelle auch für Deutschland. Die angestrebte größere Vielfalt in Prozess-, Vergabe- und Kompensationsmodellen berücksichtigt individuelle Projekt- und Kundenanforderungen. Zeitsparende Modelle wie Design – Build werden insbesondere von rasch wachsenden Unternehmen, die kurzfristig bezugsfertige Flächen benötigen, nachgefragt.

Allen voran jedoch bezweckt der Blick auf angelsächsische Modelle die Etablierung partnerschaftlichen Bauens in Deutschland. Die noch vorherrschende Fokussierung auf eine strikte Trennung von Planung und Ausführung erschwert eine intensive Kooperation zwischen den Projektparteien und vernachlässigt die frühzeitige Integration der Expertise ausführender Bauunternehmen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung 17/2017, September 2017

Konversation wird geladen