Keine monokausalen Zusammenhänge erkennbar
Die Heizperiode ist vorbei. Die Deutschen haben in dieser Zeit 21 Prozent Gas eingespart. Doch die Sparanstrengungen fallen je nach Bundesland unterschiedlich aus. Der Grund scheint mit dem Wohnflächenverbrauch schnell zur Hand – doch die Zahlen geben diese Korrelation nur bedingt her. Es braucht also differenzierte Erklärungen für die Divergenz.
Deutsche sparten Gas – aber unterschiedlich stark
Im Durchschnitt wurde in 2022 je Haushalt knapp 15.400 Kilowattstunden (kWh) Gas verbraucht, was gut 4.000 kWh weniger ist als noch ein Jahr zuvor. Damit wurde in den Privathaushalten ziemlich treffsicher der Anteil gespart, den die Bundesnetzagentur zu Beginn der Heizperiode als Ziel ausgerufen und für notwendig erachtet hatte, um die nationalen Gasspeicherreserven zu schonen.
Das Vergleichsportal Check 24 ist auf Grundlage eigener Daten tiefer in die Analyse gegangen. Besonders wenig Gas verbrauchten die Stadtstaaten Berlin (10.971 kWh), Hamburg (12.914 kWh) und Bremen (13.786 kWh). Überdurchschnittlich viel Gas verbrauchten Hessen (17.258 kWh), Brandenburg (17.304 kWh) und Ausreißer Sachsen (19.592 kWh).
Ist die Flächeninanspruchnahme Schuld?
Als Ursache für die unterschiedlich hohen Einsparungen beim Gasverbrauch wird auf die Unterschiede im Wohnflächenverbrauch zurückgeführt. Das ist zunächst auch einleuchtend. Seit Jahren wird postuliert, dass mit der erhöhten Flächeninanspruchnahme auch ein höherer Energiebedarf einhergeht. Das Umweltbundesamt hat hierzu diverse Studien veröffentlicht, die beispielsweise zeigen, dass Erfolge bei der Energieeffizienz fast vollständig durch den stetig wachsenden Wohnflächenverbrauch aufgefressen werden. Was bei der Energieeffizienz stimmt, müsse auch beim Gasverbrauch stimmen, so das Postulat. Anders gesagt: Wo viel Wohnfläche zu beheizen sei, falle der absolute Gasverbrauch umso höher aus – fast egal, wie viel hoch die Gaseinsparung ist.
Doch Vorsicht mit Scheinkorrelationen: Tatsächlich haben die Stadtstaaten den geringsten Wohnflächenverbrauch und auch den geringsten Gasverbrauch. Aber Sachsen hat den höchsten Gasverbrauch und nur den geringsten Wohnflächenverbrauch nach den Stadtstaaten. Brandenburg liegt beim Wohnflächenverbrauch unter dem Bundesdurchschnitt und hat trotzdem den zweithöchsten Gasverbrauch.
Auch aus statistischer Sicht ist die vertretene These, Gasverbrauch und Wohnflächenverbrauch müssten in einem direkten Zusammenhang stehen, nur bedingt haltbar. Die errechnete Korrelation über alle 16 Bundesländer liegt gerade einmal bei 0,45 – ein ziemlich schwacher Wert.
Das Erklärungsmuster ist wohl vielschichtiger
Dass das Thema Energieverbrauch bzw. Energieeffizienz in einem (wohl auch statistisch nachweisbaren) Maß mit dem Flächenverbrauch einhergeht, klingt durchaus plausibel und steht auch nicht gänzlich in Zweifel. Gleichwohl wird in der Frage, zu wie viel Gaseinsparung es gekommen ist, eine unzulässige Verkürzung vorgenommen. Denn unterhalb der Datenoberfläche gibt es wahnsinnig viele Faktoren, die kaum zu ermitteln sind.
Nicht berücksichtigt sind intervenierende Variablen wie Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Nutzer. Es ließe sich annehmen, dass einkommensstarke Haushalte auf mehr Wohnfläche leben und deren Bereitschaft oder Notwendigkeit zur Gaseinsparung aus monetärer Sicht nicht so stark ausgeprägt war wie bei einkommensschwachen Haushalten. Dies müsste man auch auf Ebene der Bundesländer tiefergehend untersuchen, da es ja durchaus zwischen den Bundesländern wirtschaftliche Unterschiede gibt.
Ein weiterer, nicht berücksichtigter Faktor ist die Frage der Brennstoff- bzw. Energieträgernutzung. Die Stadtstaaten verfügen über ein Fernwärmenetz, in dem der Gasanteil niedriger ist und was zufällig mit den geringeren Wohnflächenverbräuchen zusammenfällt – wodurch sich ein scheinbarer Zusammenhang auftun mag. In strukturschwachen Regionen ist der Gasverbrauch aufgrund mangelnder Alternative höher und aus historischen Gründen der Wohnflächenverbrauch höher – möglicherweise korrelierend auch mit der Wohneigentumsquote. Es lässt sich kaum zweifelsfrei klären, ob in einem Bundesland mit überdurchschnittlich hohen Wohnflächenverbräuchen nicht schon früher ein Umstieg auf nicht-fossile Heiztechniken stattgefunden hat, was die statistische Korrelation massiv verfälschen würde.
Fazit
Im Grunde zeigt die Analyse, dass es bei allen Herausforderungen der Wärmewende unbedingt einer differenzierten Betrachtung sowohl der Maßnahmen als auch der Förderkulisse darf. Allein über die Reduzierung des Wohnflächenverbrauchs wird der Gasverbrauch (und auch der anderer, fossiler Energieträger) nicht zu senken sein – wie auch? Hinter dem Indikator der Inanspruchnahme von Wohnfläche stehen sehr wahrscheinliche weitere sozio-ökonomische Indikatoren – ein klassischer Proxi, wie es die Statistik nennen würde, um sich vor Scheinkorrelationen zu schützen. Die Wärmeversorgung in ländlichen Gebieten ist eine andere als im urbanen Raum. Die Einkommenssituation entscheidet sowohl über die Entscheidungsfreude bei der Heizungstransformation bzw. setzt Anforderungen an eine treffsichere Förderkulisse, die es aktuell noch nicht gibt. Und es muss unbedingt berücksichtigt werden, dass die Nutzer überaus heterogen wohnen, entweder in freistehenden Einfamilienhäusern oder in Mehrfamilienhäusern, zur Miete oder im Eigentum, welches schon abbezahlt oder noch belastet ist. All diese Faktoren gilt es differenziert durch Förderung und Politikinstrumente auszutarieren. Darin liegt die eigentliche politische Herausforderung, als vermeintlich klar erkennbaren Korrelationen hinterherzulaufen.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2023