Aktueller denn je: Partnerschaftliches Bauen
Nach einem Jahr Zwangspause wegen Corona konnte die Design & Build Konferenz wieder in Berlin stattfinden. Neben dem integrativen Ansatz beim Bauen gehörten vor allem die Digitalisierung und Best Practices aus anderen Märkten zu den Fokusthemen. In zahlreichen Vorträgen und leidenschaftlich geführten Diskussionen konnte einmal mehr nachgewiesen werden, dass die partnerschaftliche Methode für alle Branchenteilnehmer beträchtliche Vorteile bei Geschwindigkeit und Kosten liefert. Eine weitere Erkenntnis: Auf dem deutschen Markt braucht es dringend einen Wechsel des Mindsets, wenn das Modell erfolgreich etabliert werden soll. Denn nur wenn Planer, Ingenieure, Architekten und Bauunternehmer sich als Einheit verstehen, funktioniert die Integration bei Planung und Ausführung.
In Deutschland arbeiten die einzelnen Gewerke bei einem Großteil aller Bauvorhaben nacheinander und somit voneinander getrennt. Im Vergleich dazu bietet der partnerschaftliche Ansatz die Möglichkeit, alle Projektparteien zu einem frühen Zeitpunkt mit einzubeziehen. Dadurch sind nicht nur Effizienzsteigerung und Kosteneinsparungen möglich. Expertisen können in verschiedenen Phasen gebündelt werden und Partner begegnen sich auf Augenhöhe. Alles Argumente für Design & Build. Wie das Konzept erfolgreich angewandt wird und an welchen Stellschrauben Unternehmen entlang der Immobilienwirtschaft in Deutschland drehen müssen, haben die hochkarätigen Referenten durch eindrucksvolle Zahlen und Beispiele nachgewiesen.
Die genannten Vorteile konnte Iris Wolke-Haupt, Managing Director, ISG, direkt in Ihrem Eröffnungsvortrag bestätigten. Denn ISG arbeitet erfolgreich mit dem integrativen Ansatz für angelsächsische Kunden. Statt „Ellenbogen raus“ profitieren alle von den Fähigkeiten der anderen und das gegenseitigem Vertrauen. So kann man den größten Herausforderungen beim Bau, wie z.b. der erzielten Qualität und den entstandenen Kosten am besten begegnen.
Thomas Ummels, CDO, Edge, bestätigte die Erfahrungen von Wolke-Haupt in seinem anschließenden Vortrag: „Wir brauchen viele Spezialisten während der Entwicklung. Wir können nicht alle in unseren Reihen haben. Deswegen brauchen wir Partner.“ Für Edge war Partnerschaft zu Beginn vielmehr eine Notwendigkeit als eine Option: Das Unternehmen fing von Grund auf an und musste immer wieder auf qualifizierte Partner zurückgreifen. Ummels erklärte weiter: „Wir wollen die CO2-Emissionen auf 0 reduzieren. Das geht nur mit unseren Dienstleistern: Von ihnen brauchen wir die entsprechenden Komponenten, die wir später in unseren Gebäuden zusammenbringen.“
Den größten Erfahrungsschatz mit Design & Build brachte Deb Sheehan, Vorstandsmitglied des Design & Build Institute of America, mit. Und konnte auch gleich die Vorteile mit Zahlen belegen: „Landesweite Studien in den USA haben gezeigt, dass zum Beispiel das Bautempo mit dieser Methode um 102 Prozent schneller ist als beim Design-Bid-Build-Ansatz.“ Außerdem riet sie den Teilnehmern zur Geduld bei der Etablierung. Das integrative Modell ist zwar mittlerweile das am schnellsten wachsende in den USA, hat dafür aber auch Zeit gebraucht: „It will not take place over night. But it will become mainstream one day.“
Beim Contech-Pitch konnte das Plenum aus den vier Startups PlanRadar, Cosuno, aedifion und Cloudbrixx seinen Favoriten wählen. Rudi Pistora, Head of Sales von PlanRadar, lieferte dabei den für das Publikum überzeugendsten Pitch ab und gewann für sein Unternehmen das Voting mit rund 50 Prozent der Stimmen. PlanRadar ist Anbieter einer Plattform für Dokumentation und Kommunikation zu Aufträgen und Mängeln beim Bau.
Immer wieder wird die Rolle von Architekten bei Design & Build kontrovers diskutiert. So nutzte Dr. Tilman Prinz, Bundesgeschäftsführer der Bundesarchitektenkammer, seinen Vortrag, um mit dem Publikum zu diskutieren, wie der Ansatz auch für Architekten und Planer attraktiv gestaltet werden kann und welche Vorteile er auch für diese Berufsgruppe bietet.
Einer der Eckpfeiler von Design & Build ist die Digitalisierung und die damit verbundene Transparenz. So arbeitete Klaus Brix, Spartenleiter bei Zech Systeme, heraus, dass daneben der Wille zur Transparenz und Partnerschaft wichtige Grundlagen für die Digitalisierung bilden. Mit ihnen kann die Branche künftigen und aktuellen Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Urbanisierung und bezahlbarem Wohnraum begegnen. Auch Univ. Prof. Dipl. Ing. Christoph M. Achammer, Vorstandsvorsitzender der ATP architekten ingenieure, war sich bei seinem Vortrag mit Stefan Kögl, General Manager Siemensstadt 2.0, sicher: „Will man ein komplexes Problem lösen, braucht man Vertrauen. Für Vertrauen braucht es wiederum Transparenz. Die Digitalisierung kann uns die Transparenz bringen.“
Daran schließt sich direkt die Frage an: Wie kann man den so dringend benötigten Teamgeist schaffen, den es für partnerschaftliches Arbeiten unbedingt braucht? Diese Frage beantwortete einer, der es wissen muss: Ewald Lienen, langjähriger Bundesliga-Trainer und Marken- und Werbebotschafter des FC St. Pauli, zeigte mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung aus dem Profisport, wie eine funktionierende Einheit gebildet wird. Für ihn dabei ein zentraler Punkt: Kommunikation. „Als Führungskraft oder Mitarbeiter jemanden zu loben oder anzuerkennen, ist etwas, das man wieder zurückbekommt.“ Ein erneutes Plädoyer für mehr Partnerschaftlichkeit, nicht nur beim Bau.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2021