Digitalisierungsschub von außen
PropTechs transformieren analoge Immobiliendaten in digitale Assets. Das Versprechen der Innovatoren: mit „digitalen Zwillingen“ werden die Effizienz und die Transparenz der internen Prozesse erhöht. Bevor Immobilienunternehmen jedoch mit Hilfe eines PropTechs die Digitalisierung und das Datenmanagement in eine neue Ära überführen, müssen sie ihre digitalen Bedürfnisse erkennen und einen passenden PropTech-Partner finden. Ein Erfahrungsbericht.
In der HIH-Gruppe schreitet die Digitalisierung voran und wir kooperieren mittlerweile mit einigen ausgewählten PropTechs. Dazu gehören die Unternehmen EVANA, Coyote und Assetti. In der Auslese und in der Zusammenarbeit mit digitalen Innovatoren haben wir langjährige Erfahrungen gesammelt und bereits wichtige Meilensteine erreicht. Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise die beiden Themenfelder IT-Innovation und Digitalisierung innerhalb unserer Unternehmensstruktur gebündelt und direkt an die Holding-Geschäftsführung angebunden. Die Ideenfindung, die Auswahl neuer Technologien und die Steuerung aller mit dem digitalen Fortschritt verbundenen Prozesse werden kanalisiert und zentral vorangetrieben, um zukunftsweisende Entscheidungen für die gesamte HIH-Gruppe besser treffen zu können. Immobilienunternehmen, die auf eine solche Zentrierung verzichten, haben kaum eine Chance, die unterschiedlichen internen Anforderungen mit den zahlreichen externen Angeboten von weit mehr als 400 PropTech-Unternehmen, die es derzeit allein in der DACH-Region gibt, sinnvoll zu koordinieren.
Die HIH-Gruppe hat frühzeitig für sich entschieden, keine eigene Entwicklungsabteilung zu gründen und geht stattdessen aktiv auf PropTechs zu. Wichtig für die Auswahl eines Partners: Jede externe Softwarelösung muss ein API (Application Programming Interface) bereitstellen. Das heißt, die Software muss eine Schnittstelle enthalten, um die darin enthaltenen Daten auch in die eigenen vorhandenen IT-Strukturen einbinden zu können. Datenintegration und Schnittstellenmanagement sind daher zwei besonders wichtige Themen bei der Auswahl von PropTechs. Mit innovativen Softwareanbietern arbeiten wir derzeit projektbezogen zusammen; eine unternehmerische Beteiligung ist für uns aber nicht ausgeschlossen.
In unserer Branche beginnen die ersten Schritte eines Digitalisierungsprozesses meist im Dokumentenmanagement. Das ist eigentlich kein Hexenwerk und streng genommen keine digitale Innovation. Aber, die Messlatte liegt deutlich höher, wenn es darum geht, digital verfügbare Dokumente strukturiert in einem Bestandsdatenraum abzulegen und über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes und für alle Bereiche des Unternehmens verfügbar zu machen. Zusätzlich müssen anhand der digitalen Dokumente die relevanten Daten identifiziert, extrahiert und automatisiert so bereitgestellt werden, dass sie als Fakten für Workflows und Reports genutzt werden können. Letztlich muss durch die PropTech-Lösung für alle beteiligten Akteure eine deutliche Arbeitserleichterung spürbar sein.
Anhand eines umfassenden Anforderungskataloges wählten wir für diese Aufgabenstellung gezielt einige PropTechs aus und luden sie zum Pitch ein. Die angebotenen Lösungen wurden mit den Fachkollegen aus dem Asset Management, dem Property Management und dem Fonds Management auf Herz und Nieren geprüft. Ein Kriterium war die Benutzerfreundlichkeit, die bei Probeläufen getestet wurde. Die Softwarelösung von EVANA ließ bereits während unseres Entscheidungsprozesses die Möglichkeit erkennen, aus den digitalisierten Dokumenten auch die relevanten Daten extrahieren zu können. EVANA war zudem bereit, ihr Softwareprodukt zusammen mit uns weiterzuentwickeln und anzupassen.
Die Zusammenarbeit mit PropTechs empfinden wir generell als sehr inspirierend: Wir sind stets gefordert, als etablierter Grown-up die eigenen Stärken einzubringen. Gerade junge Start-ups müssen aktiv begleitet werden, und unsere Unterstützung bei der Aufbauarbeit kommt gut an. Entscheidend für die Auswahl und die erfolgreiche Umsetzung eines Digitalisierungsprojektes sind die Meilensteine, die mit einem PropTech fixiert werden können und die wir als Auftraggeber anschließend auch aktiv überwachen. Eine offene und positive Fehlerkultur ist hilfreich, um gemeinsam aus Erfahrungen lernen zu können. Als Kunde sollte man die Wahl für ein PropTech sehr bewusst treffen, denn der Partner kann aus vielerlei Gründen scheitern oder sich bei der Suche nach einem Investor strategisch neu ausrichten.
Bei der Ermittlung eines passenden PropTech-Unternehmens ist es nach unserer Erfahrung lohnend, den Blick auch international auszurichten. Assetti beispielsweise ist ein finnisches PropTech, Coyote ist UK-basiert. Als das PropTech-Universum noch deutlich kleiner war, gab es nicht viele Alternativen und die wenigen Anbieter waren bekannt. Insofern waren auch die Identifizierung und die Auswahl eines geeigneten Partners naheliegender. Assetti beispielsweise, die webbasierte Property- und Asset Management-Plattform zur Anzeige umfassender Objekt- und Mieterdaten, kannten wir bereits aus deren Zusammenarbeit mit control.IT, dem Hersteller unserer Datawarehouse-Lösung bison.box.
Bei Coyote lag der Fall etwas anders. Aber, auch hier gab kein PropTech-Booster den Ausschlag, sondern ein britisches Fachmedium lieferte den entscheidenden Hinweis. Durch einen Bericht in einem PropTech-Newsletter war uns die Transaktionsplattform aufgefallen, die sich auf Daten und Prozesse rund um den Objektankauf konzentriert. Eine derartige Lösung wurde unternehmensübergreifend gewünscht. Heute nutzen alle Transaktionseinheiten der HIH-Gruppe diese Plattform, die wir zur Basis für weitere Digitalisierungsschritte machen wollen. Ursprünglich handelte es sich hierbei um die interne Software eines paneuropäischen Immobilienspezialisten, die im Rahmen eines Spin-Offs marktfähig gemacht wurde. Allerdings war das Software-Produkt zunächst nur auf den britischen Markt ausgerichtet. Wir konnten Coyote von der Wichtigkeit des in Deutschland notwenigen Maklernachweises bzw. der Vorkenntnisprüfung überzeugen und so wurde die bereits sehr ausgereifte Softwarelösung für unsere heimischen Anforderungen angepasst.
Es ist uns sehr wichtig, die Entwicklungen in der PropTech-Szene selbst aktiv zu verfolgen und laufend mit den sich wandelnden Anforderungen der Fachabteilungen abzugleichen. Außerdem arbeiten wir eng mit den Branchenverbänden gif und ZIA zusammen und engagieren uns für Daten- und Dokumentenstandards. Wir haben auch festgestellt, dass es nicht den einen Königsweg gibt, mit dem man geeignete PropTechs identifiziert und auswählt. Vielmehr ist entscheidend, sich über die eigenen Anforderungsprofile genau im Klaren zu sein. Die vergangenen Jahre haben unsere anfängliche Einschätzung bestätigt, dass es sich in jedem Fall lohnt, auf PropTechs zu setzen und analoge Prozesse nicht selbst zu digitalisieren. Wer mit PropTechs arbeiten will, sollte sich auf neue Prozesse einlassen können und die eigene Denkweise frisch halten.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von HIH Real Estate
Erstveröffentlichung: Immobilienwirtschaft, Juni 2020