Ein neuer Kiez für Reinickendorf
Im Nordwesten von Berlin baut und modernisiert Vonovia mehr als 1.600 Wohnungen – und will nicht bloß ein Projekt durchführen, sondern ein Viertel neu gestalten.
Vision 2025: Noch sind nicht alle Pläne abgeschlossen – so aber könnte das Viertel aussehen. Visualisierung: Architekten Lorenzen Mayer
Ganz zum Schluss, wenn die Neubauten errichtet und alle Wohnungen hübsch gemacht sind, wenn die Spiel- und Parkplätze freigegeben wurden, der Supermarkt seine Waren verkauft und auf einem der Dächer in großen Lettern der Schriftzug „Ziekowkiez“ montiert ist, dann, sagt Angela von der Waydbrink, wünscht sie sich, dass der Kiez diesen Namen auch verdient. Dass die Bewohner ein klein wenig stolz auf ihr Viertel sind, zusammenhalten und nicht nur nebeneinander wohnen.
Noch ist das nicht der Fall. Das Projekt steht erst am Anfang und streng genommen „haben wir uns den Namen Ziekowkiez auch ausgedacht“, sagt von der Waydbrink, die Referentin für Quartiersentwicklung. „Das ist noch kein fester Begriff.“ Aber wenn sie von der Neugestaltung des Areals in Berlin-Reinickendorf erzählt, dann klingt dieses Ziel durch: Es soll nicht bloß um ein paar Gebäude, energetische Dämmungen und neue Fenster gehen. Sondern um einiges mehr.
Rund 150 Millionen Euro investiert Vonovia in das Quartier, es ist das deutschlandweit größte Projekt des Unternehmens und wird bis zu zehn Jahre dauern. Mehr als 1.100 Wohnungen werden modernisiert, dazu kommen 500 bis 600 neue Wohnungen, die auch mit Fertigteilen und in Modulbauweise entstehen.
Ursprünglich errichtet wurde die Siedlung in den 1950er-Jahren. Die Zuschnitte von damals sind aber nicht mehr zeitgemäß. „Eine Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnung mit nur 60 Quadratmetern passt für Familien heute natürlich nicht“, sagt von der Waydbrink. Um die Gegend zu verjüngen und besser zu durchmischen, müssen Neubauten her.
Dazu wird in den Hochhäusern barrierearm umgebaut. 145 Wohnungen mit ein oder zwei Zimmern sollen unter anderem mit großen Bädern, rutschfesten Fliesen, Zeitschaltuhren und Hauptschaltern für elektrische Geräte ausgestattet werden. Gedacht ist das für die Senioren. Eine Umfrage ergab: Jeder siebte Mieter lebt seit 30 Jahren oder länger vor Ort – 50 Mieter sind sogar vor 1968 eingezogen.
Sigrid und Arnold Wähler sind zwei von ihnen. „Meine Frau lebt bereits seit 1965 hier, als wir uns wenig später kennenlernten, bin ich einfach dazugezogen“, sagt der 76-Jährige, der noch immer als Stahlschlosser arbeitet, 20 Jahre lang Motorradrennen gefahren ist und einen Oldtimer von 1954 besitzt. „Mein hellblauer Chevrolet gehört fest zu meinem Zuhause in Berlin-Reinickendorf.“
Damit ältere Menschen so lange wie möglich in ihrer Wohnung bleiben können, kooperiert Vonovia mit den Johannitern. Ein Nachbarschaftstreff („JOVOTreff“) wurde bereits eröffnet, die weiteren Services der Johanniter umfassen Apotheken- und Waschdienst, Unterstützung bei Behördengängen oder Anträgen und tägliche Kontrollanrufe.
Um zu erfahren, was die Mieter wünschen, arbeitet das Unternehmen mit der Agentur Zebralog zusammen, ein Spezialist für Bürgerbeteiligungen. Gemeinsam führten sie mehr als 300 Haustürgespräche, um das Vorhaben zu erklären. Im Sommer 2019 folgte die erste von mehreren „Ideenwerkstätten“. „Die Mieter mitzunehmen ist für uns – neben den technischen Aspekten – die größte Herausforderung“, sagt Regionalleiter Sebastian Krüger. „Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, frühzeitig offen und ehrlich zu kommunizieren. Das heißt konkret: nichts verstecken.“
Ursprung I: Die Hochhäuser des Kiezes hat die GAGFAH als letztes errichtet, zwischen 1954 und 1957
Foto: Landesarchiv Berlin
Dazu gehört auch die Frage nach der Mieterhöhung. Krüger und sein Team können die Antwort seit November geben. Da unterschrieben das Bezirksamt Reinickendorf und Vonovia eine Vereinbarung. Festgelegt ist, dass die monatliche Nettokaltmiete um 1,75 Euro pro Quadratmeter steigt – gesetzlich erlaubt wären mehr als 2 Euro. Und: Danach steigt sie mindestens fünf Jahre lang nicht mehr. Für Bürgermeister Frank Balzer ein Erfolg. „Diese Verpflichtung ist in Berlin einmalig.“
Ursprung II: Vor mehr als 60 Jahren entstand Wohnraum auf der Wiese, heute wird nachverdichtet
Foto: Landesarchiv Berlin
Wie genau der Kiez einmal aussehen wird, steht noch nicht fest. Das Bebauungsplanverfahren muss erst abgeschlossen werden, und dann, Ende 2021 oder Anfang 2022, geht es mit den Bauarbeiten los. Angela von der Waydbrink muss sich also noch gedulden, bis Reinickendorf tatsächlich einen neuen Kiez bekommen hat. Der Grundstein wurde aber schon mal gelegt.
Weitere Informationen unter: https://www.zusammen-zum-ziekowkiez.de
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Vonovia SE
Erstveröffentlichung: Kundenmagazin, 2019, www.wohnen-und-gesellschaft.de/ein-neuer-kiez-fuer-reinickendorf/