Wenn Allergiker gerne ins Office kommen
Nachhaltigkeitszertifikate sind mittlerweile Standard bei nahezu jedem Büroneubau. Doch ein ökologisch nachhaltiges Gebäude bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich dieses positiv auf die Gesundheit der Nutzenden auswirkt. Als sensibelste Nutzergruppe sind hierbei Allergiker zu betrachten: Gut 30 Prozent der Gesamtbevölkerung leiden heute unter verschiedensten Allergien. Eine allergikerfreundliche Arbeitsumgebung wirkt sich nicht nur auf das Wohlbefinden aller Nutzer, sondern auch positiv auf die Leistungsfähigkeit und damit auf die Produktivität der Mitarbeitenden im Gebäude aus.
Allergien sind weltweit die häufigste chronische Erkrankung. Der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm: Laut AOK Fehlzeitenreport ist jede zehnte Krankschreibung in Deutschland auf eine Allergie zurückzuführen. Dabei ist die Zahl der Betroffenen weitaus höher, denn laut Professor Zuberbier, Leitung Allergiefolgenforschung der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Charité, werden nur zehn Prozent der Allergiker richtig behandelt, beziehungsweise werden Allergien erst gar nicht erkannt.
Allergiker sind somit die sensibelste Zielgruppe in unserer Gesellschaft und damit auch die anfälligste Gruppe von Nutzern innerhalb eines Gebäudes, die als erstes bei einer Belastung reagieren. Einen Großteil unserer Zeit, nämlich 90 Prozent, verbringen Menschen in Gebäuden – ganz gleich ob zu Hause, am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Einrichtungen.
Allergikerfreundliches Bauen: Beispiel Equalizer Berlin
Der Faktor Gesundheit steht nicht nur bei Allergikern an erster Stelle: In einer Umfrage für den PMRE-Monitor 2023 erhielt das Kriterium Gesundheit für Büronutzer von allen Befragten mit 67 Prozent die größte Relevanz unter den sozialen Kriterien für nachhaltige Bürogebäude. Mit Blick auf eine gesunde Arbeitsatmosphäre gilt es ein möglichst allergiearmes Umfeld zu schaffen - denn ein vollständig allergiefreier Raum ist nicht realisierbar. Doch welche Kriterien müssen bei einem allergikerfreundlichen Büroneubau berücksichtigt werden und wie gehen Bauherren und am Bau Beteiligte am besten vor?
Die Deutsche Immobilien Entwicklungs AG (DIEAG) errichtet in der Berliner City-West, zwischen Wittenbergplatz und Landwehrkanal, nach Plänen von kadawittfeldarchitektur mit dem Equalizer Berlin ein mehr als 13.000 Quadratmeter Mietfläche umfassendes Büroobjekt. Die moderne Immobilie soll nicht nur den hohen Nachhaltigkeitsstandard DGNB Gold, sondern auch das weltweit erste Siegel für allergiefreundliche Gebäude der Allergy Friendly Buildings Alliance tragen. Das Vorzertifikat wurde im Rahmen der Grundsteinlegung Ende Mai 2024 bereits verliehen.
Das AFBA-Siegel steht für Gebäude, die dem wissenschaftlich formulierten Anspruch der Allergiefreundlichkeit gerecht werden. Um ein allergikerfreundliches Gebäude zu errichten und – das ist besonders wichtig – auch entsprechend zu betreiben, sind viele Akteure notwendig. In jedem AFBA-Projekt wird ein Allergologe hinzugezogen, um die medizinischen Belange während des gesamten Bauprozesses zu vertreten. Gemeinsam mit dem Bauherrn erfolgt die Überarbeitung der Baubeschreibung und die medizinische Prüfung der zu verbauenden Materialien auf deren Inhaltsstoffe.
Erfolgte bisher der Einsatz von Baustoffen oder auch die Gestaltung von Außenbereichen fast ausschließlich unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten, spielen bei allergiefreundlichen Gebäuden medizinische Faktoren eine ebenso wichtige Rolle. Dabei ist zu betonen, dass allergikerfreundliches Bauen nicht zwingend auch teureres Bauen bedeutet.
Faktor Pollenvermeidung
In der Betrachtung der maßgeblichen Einflussfaktoren auf die Immobilie muss nicht nur das Objekt an sich, sondern im gleichen Maße auch die Umgebung mit besonderem Fokus auf die Pollenvermeidung analysiert werden – schließlich entwickeln laut Robert-Koch-Institut rund 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland im Laufe ihres Lebens eine Allergie gegen Baumpollen, Gräserpollen oder Kräuterpollen. Vor diesem Hintergrund sind bestimmte Pflanzenarten im Hinblick auf die Pollenintensität im Außenbereich und auf den Dächern zu vermeiden. Im Rahmen der Außenraumanalyse werden mögliche Pollenquellen in einem Umkreis von 100 Metern zum Grundstück analysiert. Neben der Pollenvermeidung sind im Außenbereich die Vermeidung von kontaktallergieauslösenden Pflanzen sowie von Schimmelpilzsporen ein wichtiges Kriterium. Auch die Erfassung der Feinstaub und Ozonbelastung am Standort bringt zumeist wichtige Erkenntnisse für mögliche, daraus resultierende Maßnahmen vor Ort.
Mit Blick auf das Gebäude selbst ist es besonders zur warmen Jahreszeit unvermeidlich, dass sich durch geöffnete Fenster Pollen an Wänden, Möbeln und Textilien sammeln. Hierbei hat sich die kombinierte Nutzung von speziellen Filtern bewährt wie Taschen- oder Kompaktfilter. Optional sorgen Pollengitter mit einem speziell engmaschigen Gewebe dafür, dass Pollen oder auch Feinstaub nicht über geöffnete Fenster eindringen können.
Die Pollenintensität stellt auch für technische Anlagen einen gewissen Belastungsfaktor dar, der in der TGA-Planung und im Betrieb berücksichtig werden muss, dies schließt auch den Nachweis eines Raumlufttechnikkonzeptes (RLT) mit ein.
Mieterseitig gilt es, in den Räumen auf Pflanzen mit hohem Allergiepotenzial zu verzichten – das betrifft beispielsweise den beliebten Ficus elstatika, den sogenannten Gummibaum genauso wie den Blumenstrauß mit Tulpen.
Reduktion von Hausstaubmilben
Experten schätzen, dass ungefähr sechs Millionen Menschen in Deutschland von einer Hausstaubmilbenallergie betroffen sind. Hausstaubmilben gehören nach den Pollen zu den bedeutendsten Allergieauslösern. Die Milben finden bei einer 70 – 80 prozentigen Luftfeuchtigkeit und Temperaturen ab 25 Grad Celsius ideale Bedingungen.
Für die Innenraumgestaltung sind daher bevorzugt glatte Bodenbeläge oder kurzflorige Teppiche zu verlegen, die regelmäßig entsprechend gereinigt werden müssen. Auch Staubfänger, insbesondere Textilien wie Vorhänge oder offene Regale und Ablagen sollten gemieden oder alternativ mindestens einmal pro Woche gereinigt werden.
In repräsentativen Bereichen messen Hygrometer die relative Luftfeuchtigkeit, sodass seitens des Facility Managements entsprechende Maßnahmen zur Regulierung bei einer zu hohen Luftfeuchtigkeit (bspw. mit dezentralen Luftentfeuchter) unter ein Niveau von 60 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit getroffen werden können.
Die Liste der Einflussfaktoren ist lang
Weitere Belastungen, die es bei der Verwendung von Baumaterialien sowie bei Mieterausbauten und Nutzung der Flächen zu vermeiden, beziehungsweise zu reduzieren gilt sind darüber hinaus: die Vermeidung von Schimmelpilzsporen und Schädlingen im Innenraum, die Reduktion von Belastungen durch Tierhaare sowie die Vermeidung von allergieauslösenden Reinigungsmitteln und die Reduktion von flüchtigen organischen Verbindungen. Auch übermäßige Formaldehydbelastungen und eine Belastung durch (Fein-)Staub und Abgase sollen vermieden werden. Darüber hinaus ist in der Nutzung der Flächen darauf zu achten, dass allergieauslösende Duft- und Konservierungsstoffe sowie allergieauslösende Kontaktallergene vermieden werden.
Einen nennenswerten Aspekt bildet beispielsweise der Holzbau, welcher derzeit vor dem Hintergrund nachhaltiger Baustoffe ein Revival erlebt. Doch auch hier muss auf die Vermeidung von allergieauslösenden Holzschutzmitteln beziehungsweise auf Beschichtungen wie Lacke, Einpflegemittel oder Farben geachtet werden.
Allergiefreundlichkeit ist auch Mietersache
Die lange Liste der zu berücksichtigenden Faktoren zeigt, dass der Bau von allergikerfreundlichen Bürogebäuden nur die halbe Miete für das Wohlbefinden der Nutzer darstellt. Genauso, wenn nicht sogar noch wichtiger, ist die allergiefreundliche Ausgestaltung und Nutzung der Räume - und eine entsprechende Reinigung. Gemeint sind beispielsweise das regelmäßige Beseitigen von Staubablagerungen und die Vermeidung beispielsweise von offenen Kabelkanälen oder abgehängten Deckenteile, bei denen sich leicht Staub ablagern kann. Darüber hinaus muss der Nutzer auf die Luftfeuchtigkeit in den Räumen achten und die tägliche beziehungsweise wöchentliche Reinigung an die Gegebenheiten und Anforderungen anpassen.
Um eine über die gesamte Wertschöpfungskette der Büroimmobilie gesicherte Umsetzung aller notwendigen Kriterien sicherzustellen, wird beim Equalizer Berlin die Einhaltung der Kriterien per Mietvertrag geregelt. Künftige Mieter erhalten in diesem Zuge eine umfassende Einführung in alle relevanten Faktoren, die es für ein allergiearmes Arbeitsumfeld zu berücksichtigen gilt. Bei Fragen steht ein Ansprechpartner zur Verfügung. Darüber hinaus soll künftig mit einem Facility Service, welcher die speziellen Anforderungen für Reinigung der Büroflächen und Wartung der technischen Anlagen vertraut ist, zusammengearbeitet werden.
Es bleibt festzuhalten: Die Verwendung von allergikerfreundlichen und gesunden Baumaterialien, Reinigungsmitteln und die Einhaltung guter Pflegepraktiken verringern die Auswirkungen von Allergien auf unser Berufsleben und sollten zu einem etablierten Standard der Branche werden.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von DIEAG, AFBA
Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2025